: Castor-Transporte: Selbst für den Landrat geheim
■ Ministerien halten es nicht für nötig, die Landräte von Atommülltransporten durch deren Kreise zu unterrichten. Dennoch wurden sechs neue Fuhren bekannt
Frankfurt/Main (taz) – Die Castor-Transporte mit Atommüll rollen permanent weiter durch die Republik. Teilweise wissen nicht einmal die Landräte davon: So fuhr vergangene Woche ein Castor-Transport vom fränkischen AKW Grafenrheinfeld zur französischen Wiederaufbereitungsanlage in La Hague – ohne daß der betroffene Landkreis Aschaffenburg davon informiert war. Das berichten der BUND Bayern und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). Für das Vorstandsmitglied des BBU, Eduard Bernhard, ist der „geheime Transport“ ein „unglaublicher Skandal“. Schließlich seien die Landratsämter für den regionalen Katastrophenschutz zuständig.
Von der Bahn AG über bevorstehende Atomtransporte informiert werden die Innenminister der betroffenen Länder – exakt 48 Stunden vor den Transporten. Die Innenminister wiederum verfügen in der Regel über einen Verteiler (Fax), mit dem untergeordneten Behören gezielte Informationen über den Transportzeitpunkt und die Streckenführung erhalten.
Der Sprecher im hessischen Innenministerium, Gerd Uwe Mende, bestätigte auf Anfrage die Befürchtungen der Umweltschützer. Die Landräte, so Mende, seien nicht zwingend von bevorstehenden Atomtransporten über „ihr“ Gebiet zu informieren, auch wenn sie tatsächlich regional für den Katastrophenschutz zuständig seien. Eine Katastrophe sei nämlich ein „weit über die Region hinausreichendes Schadensereignis“. Und das, so Mende weiter, sei bei einem Unfall mit einem Castor-Behälter auf der Schiene wohl kaum zu erwarten. Ohnehin sei es Sache der von den Innenministern vorab informierten Regierungspräsidenten, eventuell die Landratsämter einzuschalten. Der Normalfall sei das allerdings nicht.
„Normal“ fährt also der Atommüll mit der Bahn AG und mit LKW unbemerkt und unbehelligt nahezu täglich durch Deutschland. Insgesamt sechs weitere Atommülltransporte sollen noch bis zum 23. September 1997 alleine von Grafenrheinfeld aus nach La Hague rollen. Der nächste am 13. August. An diesem Tag wollen Umweltschützer in Schweinfurt gegen die Transporte und gegen das AKW Grafenrheinfeld protestieren. Die Bündnisgrünen im bayerischen Landtag halten die Transporte für „unchristlich und menschenverachtend“. Sie forderten die Landesregierung auf, die „unsinnigen und gefährlichen Atommülltransporte“ sofort einzustellen. kpk
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