: Von Sirrah bis Sidney
■ Noch irritiert vom Posing für die neue Fankollektion, ergattern die Gladbacher ein glückliches 1:1 gegen Bayern
Wovon träumt der Marcel Witeczek eigentlich nachts? Offensichtlich davon, mit seinem neuen Arbeitgeber im nächsten Jahr international herumzukicken. Im neuen Fanartikelkatalog der Gladbacher Borussen posiert er jedenfalls als charismaloses Model für einen 189 Mark teuren, wenig schmucken „Ausgehanzug“ mit dem vielversprechenden Namen „Athen“. Bis es allerdings soweit ist und das ewige Talent zum Fußballspielen nach Griechenland statt nach Gelsenkirchen reisen darf, braucht's wohl noch gewisse Zeit. Das 1:1 der Gladbacher gegen sein einstiges Team aus München ließ Witeczek und den Fans auf den Rängen wenig Hoffnung darauf, daß der Club vom Niederrhein in Bälde aus dem letztsaisonalen Jammertal heraus ist.
„Da kann man nur noch sauer sein“, bemoserte Mario Basler ärgerlich pfälzernd die Tatsache, daß seine Münchner Mannen am Mittwoch großherzig auf zwei Punkte in Mönchengladbach verzichteten. Nur der neuerdings wasserstoffblondierte Strunz nämlich bekam bayernseits den Ball ins Gehäuse der Dressmänner vom Bökelberg und befreite sein Team nach 145 Liga-Minuten aus der ungewöhnlichen Situation eines tor- wie punktlosen Tabellenletzten. Die Rest-Bayern zielten haarscharf vorbei (Tarnat), bevorzugten die Latte (Basler), begnügten sich mit Abseitstoren (Elber) oder schossen den Ball dem Gladbacher Keeper an Faust, Oberkörper oder Gemächt (alle miteinander).
Hat der vielleicht so bös' geguckt wie auf dem Posierbild für die Lederjacke „Classic“ (Größe M – XXL, 379 Mark)? Hat er unter seinem Sweater möglicherweise heximäßig das schrecklich-schöne T-Shirt „Wings“ (100 Prozent Baumwolle, 19,90 Mark) vorgezeigt? Oder sein Gehäuse in einem unbeobachteten Moment gar mit dem Badetuch „Fußball-Power Pur“ (50 mal 100 Zentimeter, 39,90 Mark) verhängt? Vor Uwe Kamps jedenfalls hatten die Bayern 90 Minuten lang gehörigen Respekt.
Dessen Kollegen hingegen schien die Fotosession für die neue Fankollektion eher die Beine gelähmt zu haben. Martin Schneider etwa hätte tunlichst weniger Zeit im grün-schwarz gestreiften Schlafanzug (Rundhals, 69,90 Mark) verbringen sollen – auf seiner linken Abwehrseite machte er vorübergehend einen reichlich müden Eindruck. Jörgen Pettersson mag nach seinem sensationellen Unter-die-Latte-und-von-da- ins-Eck-Führungstreffer eventuell zuviel Gedanken daran verschwendet haben, ob er an seinem nächsten freien Tag eher im Sweatshirt „Sirrah“ (89,90 Mark) oder im Poloshirt „Sidney“ (69,90 Mark) über die städtische Konsummeile flanieren soll – er brachte jedenfalls nicht mehr viel zustande.
Und Patrik Andersson? Der hat sich nach dem Shooting für die Coachjacke Seoul (209 Mark) geflissentlich vom Acker gemacht. Und lieber für Schweden gegen Litauen gespielt. Derartige Modemuffelei werden die Fans ihm verzeihen. Für die Borussia hat's schließlich, auch ohne ihn, dafür aber mit dem optischen Schock der neuen silberfarbenen Jerseys „Silverstar“ (Kurzarm, 99,90 Mark) zu einem unverdienten Remis gelangt. Holger Jenrich
Bayern München: Kahn – Matthäus – Babbel, Helmer – Basler (66. Scholl), Strunz, Nerlinger, Hamann (66. Fink), Tarnat – Rizzitelli (86. Jancker), Elber
Zuschauer: 34.500; Tore: 1:0 Pettersson (17.), 1:1 Strunz (55.)
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