: „Forschung wird kaputt gemacht“
■ Biologische Anstalt Helgoland soll in Hamburg dichtmachen und ins Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut eingegliedert werden
„Höchst irrational“nennt der Anwalt Michael Günther die Bonner Pläne, die Biologische Anstalt Helgoland (BAH) aus Hamburg nach Bremerhaven zu verlagern. Er vertritt 39 der mehr als 60 Beschäftigten in Hamburg. „Der Bund muß zuviel Geld haben“, schimpfte auch Wissenschaftssenator Leonhard Hajen (SPD). Und Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) wandte sich höflich-bestimmt an Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) . Bislang ohne Erfolg. Das Forschungsministerium bestätigte gestern seine Pläne, die BAH in das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven einzugliedern.
„Hier wird ein funktionierender Forschungsverbund kaputt gemacht“, ärgerte sich gestern eine BAH-Mitarbeiterin. „Die Vielfältigkeit der Klima- und Meeresforschung in Hamburg wird damit geschwächt“, sagte Tom Janssen, Sprecher der Wissenschaftsbehörde.
Die Biologische Anstalt erforscht die Lebenswelt in Nordsee und Wattenmeer. Die Einrichtung habe im In- und Ausland einen „hervorragenden Ruf“, bestätigte vor drei Jahren der Wissenschaftsrat, ein Beratungsgremium der Bundesregierung. Die BAH „ist unentbehrlich und sollte in ihrem Kern unbedingt fortgeführt werden“. Am besten als sogenanntes Blaue-Liste-Institut, empfahl der Rat.
Das heißt: Die untergeordnete Einrichtung des Forschungsministeriums sollte eigenständig werden. Der Bund hätte – statt derzeit 90 – nur noch 50 Prozent des 20-Millionen-Etats übernehmen müssen. Hamburg und Schleswig-Holstein hätten ihren Anteil von jeweils fünf auf 25 Prozent aufgestockt. Der BAH war's recht, Bund und Ländern auch. Die Beteiligten hätten sich auf ein Konzept geeinigt, erklärte das Forschungsministerium im März. „Auch über die finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen konnte Übereinstimmung erzielt werden.“
Anfang Juli unterzeichneten Bremen, Schleswig-Holstein und Bonn einen anderen Vertrag: Die Hamburger BAH-Zentrale soll aufgelöst und ins Alfred-Wegener-Institut (AWI) verlegt werden. BAH und AWI haben kaum Berührungspunkte. Hamburg konzentriert sich auf die Nordsee, Bremerhaven auf die Polarmeere. Die Forschungsvorhaben der Institute „ergänzen sich", quälte sich das AWI eine „Begrüßung“der Entscheidung ab. Forschungs-Staatssekretär Bernd Neumann (CDU) vereinigte die getrennten Arbeitsgebiete zu „komplementären Forschungsansätzen“, die „im Rahmen vergleichender Studien verstärkt gemeinsam bearbeitet werden“. Warum die BAH dazu nach Bremerhaven umziehen muß, konnte er den Beschäftigten bislang nicht erklären.
Die MitarbeiterInnen der BAH rätseln derzeit über das Motiv für die Verlagerung. Dabei fällt immer wieder der Name Neumann. Er habe die Sache maßgeblich vorangetrieben. Neumann ist – außer Staatssekretär in Bonn – CDU-Vorsitzender in Bremen. „Bremerhaven ist eine der schwächsten Regionen in Westdeutschland“, sagte gestern ein Beteiligter. „Die brauchten irgendein Symbol.“ Achim Fischer
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