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"Die Räder fahren am Stau vorbei"

■ Ludger Matuszewski, Geschäftsführer der Velotaxi GmbH, berichtet über die ersten Erfahrungen nach vier Monaten Linienbetrieb mit Fahrradtaxis und schmiedet Pläne für die Zukunft seines Unternehmens

taz: Die Velotaxis fahren seit vier Monaten durch Berlin – wie ist die Pilotphase gelaufen?

Ludger Matuszewski: Am Anfang hatten wir Pech. Sechs Wochen lang war das Wetter sehr schlecht – deshalb lief es auch bei den Fahrern manchmal nicht so gut. Inzwischen haben sich die Berliner an die Velotaxis gewöhnt, und die Zahl der Kunden steigt. Ich denke, das Konzept ist aufgegangen: Wir sind von Anfang an mit dreißig Rädern auf drei festen Routen unterwegs. Wir haben einen Velotaxi-Rufservice eingerichtet – alle Räder sind mit Handys ausgestattet. Am Anfang und Ende jeder Route sind Infosäulen aufgestellt, auf denen die Telefonnummer der Zentrale und die genauen Strecken draufstehen.

Bleibt es beim bisherigen Angebot, oder wollen Sie den Linienbetrieb im kommenden Jahr ausbauen?

Nächstes Jahr kommt mit Sicherheit eine vierte Linie dazu: die Oranienburger Straße. Am vergangenen Wochenende sind fünf Räder dort schon mal Probe gefahren. Eventuell gibt es sogar eine fünfte Linie. Die Route ist noch offen, vielleicht in Prenzlauer Berg oder in Kreuzberg – aber wo genau, das hängt davon ab, ob wir einen Sponsor finden. Unser Konzept steht und fällt mit Werbepartnern.

Aber Velotaxi wird doch nicht allein durch die Werbung finanziert?

Doch, das Unternehmen Velotaxi lebt allein von den Werbeeinnahmen und Veranstaltungen, die wir zusätzlich machen. Dieses Jahr konnten wir die Route durch den Tiergarten leider noch nicht vermarkten, nur Kurzzeitwerbung gab es ab und an mal am Wochenende. Dabei ist der Tiergarten bei den Fahrgästen sehr beliebt und die Kontaktzahlen, auf die die Sponsoren immer achten, sind auch nicht schlecht: 45.000 bis 60.000 Menschen kommen am Wochenende in den Tiergarten.

Und wie werden die Einnahmen verteilt, die die Fahrer durch den täglichen Taxibetrieb reinbekommen?

Die gehen zu hundert Prozent an die Fahrer weiter – die arbeiten als Selbständige und bezahlen an uns für ein Fahrrad nur fünf Mark Miete pro Tag. Wir kümmern uns dafür um die Wartung und Reparatur der Räder und müssen acht Mitarbeiter bezahlen sowie die Miete für das Büro, eine Werkstatt und zwei Depots.

Wurde das Projekt in irgendeiner Form vom Verkehrssenat unterstützt?

Ja, die Zusammenarbeit war gut. Der Senat hat uns ermöglicht, daß wir die Kosten einer Machbarkeitsstudie als zinsloses Darlehen vorgeschossen bekommen haben, und auch bei unseren Präsentationen geholfen. Wir haben eine Ausnahmegenehmigung für den Personentransport mit Fahrrädern erhalten, allerdings zunächst mal nur für ein Jahr. Besonders gut ist, daß wir auch auf der Busspur fahren dürfen: Die Räder können so am Stau vorbeifahren.

Mein Eindruck ist, daß manche Passanten etwas pikiert gucken, wenn sie sehen, wie sich die Fahrer abstrampeln...

Diese Leute sollten sich mal mit den Fahrern unterhalten. Keiner von denen fühlt sich abhängig. Die meisten sind echte Fahrradfreaks, denen das nicht schwerfällt und die auch bei Wind und Wetter fahren. Bei Dauerregen und Temperaturen unter acht Grad stellen wir den Betrieb sowieso ein.

Suchen Sie eigentlich noch Fahrer?

Im Prinzip schon. Nur ein Drittel unserer Fahrer sind Stammfahrer, die mehr als dreimal die Woche arbeiten. Jeder kann sich bei uns bewerben. Dafür braucht man nur einen Gewerbeschein beziehungsweise eine Reisegewerbekarte. Wer keinen Führerschein hat, muß bei uns außerdem einen Theorietest machen. Die Fahrer verdienen im Durchschnitt zwischen 110 und 120 Mark am Tag, bei sechs bis sieben Stunden Arbeit – der Verdienst hängt allerdings stark vom Wetter und den Wochentagen ab. Interview: Ole Schulz

Neue Fahrer können sich dienstags und freitags zwischen 17 und 19 Uhr bei Velotaxi in der Saarbrücker Straße 20/21 (nahe Senefelderplatz), 10405 Berlin, vorstellen. Die Telefonnummer der Velotaxi-Zentrale: (0172) 328 88 88

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