: Pfeifen für den Wahlsieg
Jubel für Voscheraus und Schröders Schulterschluß für Innere Sicherheit. GAL-Wahlfest auf St. Pauli floppte fürchterlich ■ Von Silke Mertins
Seite an Seite standen die beiden Sozialdemokraten am Samstag in der prallen Nachmittagssonne. Dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder floß der Schweiß, Bürgermeister Henning Voscherau nicht im geringsten. Das unterscheide eben den Fußballer vom Hockeyspieler, erklärte Möchtegern-Kanzlerkandidat Schröder. „Hockeyspieler sind so vornehm, daß sie nicht einmal das wagen.“
Doch vom Fließen der Körpersäfte abgesehen, wollten die beiden Spitzenpolitiker auf dem SPD-Fest zur Eröffnung der heißen Wahlkampfphase nichts von Unterschieden wissen. „Laßt Euch nicht einreden, in der SPD gebe es Menschen, die den Rechtsstaat abschaffen wollen“, rief Voscherau mehreren hundert ZuhörerInnen zu.
Paragraphen seien nicht heilig. Es ginge darum, daß ein 18jähriger, der einer Schülerin in den Oberschenkel schießt, wie in Hamburg geschehen, nicht frei herumlaufen dürfe. „Es muß Schluß sein mit Gewalt“, sagte der Bürgermeister. „Und das will er auch“, sagte Voscherau und zeigte auf Schröder, der wegen populistischer Law-and-Order-Parolen (Kriminelle Ausländer „raus, und zwar schnell“) in die Schlagzeilen geraten war.
Den Ball nahm Schröder gerne auf. „Es geht bei der Sicherheit nicht darum, Menschen zu diskriminieren.“Vielmehr müßten hier lebende und arbeitende Ausländer, die sich nichts zuschulden kommen ließen, vor denen geschützt werden, die das „Gastrecht für kriminelle Taten ausnutzen“.
Noch besser gefiel Schröder dem Publikum aber in seiner Rolle als Tony Blair. Mit mitreißenden Worten beschwor er den gesellschaftlichen Aufbruch, Umbruch und Regierungswechsel. Er könne nicht ertragen wie „die Lage im Land kaputtgeredet würde“. Trotz der Probleme sei Deutschland wirtschaftlich in Europa nach wie vor führend. „Stolz“sollten wir deshalb sein, und „selbstbewußt“. Die Standortdebatte müßte „vom Kopf auf die Füße gestellt werden“. Und wenn es bundesweit so gut aussehe wie in Hamburg, „bräuchten wir uns gar keine Sorgen zu machen“.
Übertroffen wurde der Beifall, für die Rede Schröders nur noch vom Applaus, den Voscherau für seine Pfiffe erntete. Um Umbauarbeiten zu überbrücken, spitzte der Bürgermeister seine schmalen Lippen zu dem plattdeutschen Liedchen „Hamburger Veermaster“.
Ein Flop wurde indes das parallel auf dem Spielbudenplatz stattfindende Wahlfest der GAL. Kaum jemand konnte sich bei strahlendem Sonnenschein für das Dosenwerfen auf Spitzenkandidaten von SPD, CDU und FPD begeistern. Bei den Stadtteilrundgängen in politischer Begleitung blieben die GALier weitestgehend unter sich. Krista Sager kritisierte am Rande der Veranstaltung die „populistischen Äußerungen“der SPD zur Inneren Sicherheit, die „hauptsächlich den Rechtsradikalen nützen“. Nach neuesten Umfragen liegen die Republikaner in Hamburg bei vier Prozent (1993: 4,8 Prozent) und damit besser als Statt Partei und FDP.
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