: Die aktuelle Wiederholung
Das Fernsehprogramm wimmelt, zumal im Sommer, von Wiederholungen. Anstatt darüber zu schimpfen, sollte man sich diesem Angebot stellen und es für ein bewußtes und erwachsenes, kritisches oder sentimentales Wiedersehen nutzen. Wir machen in dieser Woche einige Vorschläge.
Heute: „Monaco Franze“, 21.40 Uhr, ARD
Er ist ein Hypochonder vor dem Herrn. Allein seine Hustennummer, die ihn stets verläßlich vor einem Abend in der Oper rettet, schlägt jede Tonspur aus den Spucknäpfen der Tbc-Sanatorien dieser Welt. Auch in der Brustgegend zwickt es ihn gelegentlich. Doch sein Herz ist geräumiger als ein Einkaufszentrum und hält für alle Jeanettes und Kikis der bajuwarischen Hemisphäre ein Plätzchen parat. Die Abteilungsleiterin des Sortiments, daran gibt es nichts zu rütteln, bleibt die großbürgerliche Antiquitätenhändlerin Annette (Ruth-Maria Kubitschek). Während „Spatzl“ das Personal bittet, für ihren verluderten Gatten den Rehrücken noch einmal warmzuhalten, wirft sich der „ewige Stenz“ in die Hühnerbrust und stolziert in Lederjacke durch die Münchener Abschlepplokalitäten. Keine Schauspielerin oder Fahrschülerin unter dreißig, die seine Anstrengung um markante Gebärden nicht am Ende rühren würde.
Monaco-Franze, eine der bezauberndsten Schöpfungen von Regisseur Dietl und dem unlängst verstorbenen Schauspieler Helmut Fischer gehört eigentlich in eine Dramolette von Arthur Schnitzler. Zu all jenen jämmerlichen Gestalten, die nur in der Bewunderung der „süßen Mädl“ schmatzend durchatmen. Die absurde Logik des Duellierens hat auch Franz noch nicht begriffen. Und wenn sich der hüftsteife Leptosom in einer Folge vor seinem 50. Geburtstag unbedingt vom Boxchamp King Louis vor der Kosmetikerin (Olivia Pascal) verhauen lassen muß, geschieht das nicht nur aus Gockelei, sondern auch aus einer trüben Suizidlaune heraus. Lieber niedergestreckt durch ein anerkanntes Punchmonster, als unter Zeugen asthmatisch 50 Kerzen ausblasen. Wacht dann die Karikatur aller Männlichkeitsinsignien aus dem Koma auf und kann sich weder an die Verführungen noch an die Schmach erinnern, sind wir mit „Spatzl“ hingerissen von dem Anblick dieses Patienten, der wie ein satter Säugling in seinem Verband liegt, und gleichzeitig irritiert von seiner praktischen Begabung zur lebenslänglichen Unschuld. Birgit Glombitza
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen