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Garagenwagen wider Willen

■ Eine Autovermietung für Behinderte in Norderstedt findet trotz täglicher Anfragen aus ganz Deutschland nur selten KundInnen

Wenn einer eine Marktlücke sieht, sie erkennt und hineinspringt, gibt's eigentlich keinen Grund zur Klage. Es sei denn, das Geschäft ist zu klein, um das Loch im Markt zu füllen. So geht es Rainer Ahlborn in Norderstedt. Vor vier Monaten hat er die Autovermietung für Behinderte (AfB) gegründet – nebenberuflich und „mit einer dicken Portion Idealismus“.

Drei behindertengerechte VW Golf stehen seither in Ahlborns Tiefgarage. Und dort stehen sie. Obwohl Ahlborns Telefon sich heiser schrillt. „Täglich kommen Anfragen aus ganz Deutschland“, erzählt der 38jährige. Doch den meisten AnruferInnen muß er absagen. Denn so unterschiedlich die Behinderungen, so verschieden sind auch die Wünsche seiner KundInnen. „Einer brauchte einen drehbaren Beifahrersitz, weil er seine gelähmte Mutter spazierenfahren will“, erzählt Ahlborn, „die nächste fragt nach einer Hebebühne für ihren elektrischen Rollstuhl.“

Da muß Rainer Ahlborn passen. Handgas hätte er gehabt und einen drehbaren Fahrersitz. Das Gaspedal hätte er nach links umstecken können, und einen Knauf ans Lenkrad schrauben, damit man auch mit einer Hand steuern kann. Der Rollstuhl paßt hinten in den Kombi. Aber eine Hebebühne?

Erst einen Wagen hat Ahlborn seit März vermietet, an einen Berliner. Da ist er selbst in die Hauptstadt gefahren, um das Auto hinzubringen. Mit dem Zug fuhr er zurück, stolz darauf, „jemandem geholfen zu haben“. Denn wenn Behinderte ihren Wagen reparieren lassen oder er bei Unfällen demoliert wird, findet sich nur schwer Ersatz. „Das weiß ich aus schlechter Erfahrung“, berichtet Ahlborn. Er ist gehbehindert. War sein Wagen in der Werkstatt, bekam er häufig erst Ersatz, wenn er „ohne Ende rumtelefoniert“hatte. Zwar bauen in Hamburg einige Autovermietungen ihre Wagen in Tagesschnelle um. Mit fertigen Fahrzeugen ginge es aber flotter, meint Ahlborn. „Mir ist wichtig, daß die Leute mobil bleiben.“

65.000 Mark hat der Verwaltungsangestellte in seine Firma investiert. „Ohne Kredit“, wie er beharrt. Die drei Autos sind geleast. Fahren darf sie jeder, in dessen Führerschein die Sonderausstattung vermerkt ist. Daß einzig seine Frau momentan die Golfs aus der Garage holt, entmutigt Ahlborn nicht. „Das muß sich erstmal rumsprechen.“An ein paar Versicherungen hat er schon geschrieben. Die sind mäßig begeistert. „Es kommt auf den Bedarf an“, relativiert ein Mitarbeiter. Man komme auch mit konventionellen Verleihern gut zurecht. Nichtsdestotrotz hat Rainer Ahlborn seinen nächsten Autokauf schon geplant: Auf vielfachen KundInnenwunsch will er einen behindertengerechten Campingbus anschaffen. Judith Weber

AfB, Ochsenzoller Straße 149, 22848 Norderstedt, 5283477; Mietpreis pro Woche 380 Mark.

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