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Zwischen Abriß und Neubau

■ 24 Ostberliner Jugendclubs waren in "Dienstleistungswürfeln" untergebracht. In Hohenschönhausen lief Erhalt unproblematisch. Köpenicks einziger Club wird abgerissen

33 Jahre alt ist der durchschnittliche Hohenschönhausener und damit sieben Jahre jünger als der Durchschnittsberliner. Vor allem Familien mit Neugeborenen bekamen in den achtziger Jahren eine Wohnung in dem Neubaubezirk im Nordosten der einstigen DDR- Hauptstadt angeboten. Aus den Babys sind heute Teenager geworden.

Jugendstadträtin Christa Sobanski (PDS) ist froh, daß alle 13 zu DDR-Zeiten gebauten Jugendclubs heute noch existieren. Anfang der neunziger Jahre hatte Ex- Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) den Ehrgeiz, die Dichte der Jugendclubs in den Ostbezirken auf Westniveau hochzufahren. Davon sei in Zeiten des Haushaltslochs keine Rede mehr, bedauert die Stadträtin. Aber zu den 13 staatlichen Clubs wären im Laufe der Jahre mehrere von freien Trägern betriebene hinzugekommen. „Damit wurden die Angebote für Jugendliche in Hohenschönhausen verbessert“, so ihr Fazit.

Fünf Clubs teilten sich einst in sogenannten Dienstleistungswürfeln das Domizil mit Drogerie, Post und Friseur. Die Würfel – Versorgungsinseln im Plattenmeer – galten als lukrative Immobilien und sind allesamt verkauft und abgerissen. Während Post und Läden von den Investoren gern Ersatzräume angeboten wurden, mußten die Jugendclubs Anfang der neunziger Jahre um ihre Existenz bangen.

„Aus den Ostbezirken gab es damals viel Druck, um die wenigen vorhandenen Clubs wenigstens zu erhalten“, erinnert sich die Stadträtin, die seit 1992 im Amt ist. Thomas Krüger hätte versprochen, die 24 Clubs in Dienstleistungswürfeln der Neubaugebiete zu erhalten. In einem Vertrag zwischen Treuhand und Senat verpflichtete er potentielle Investoren, für die Jugendfreizeiteinrichtungen aufzukommen. Wer einen Würfel kaufte, mußte entweder den Club weiterbetreiben, einen neuen bauen oder Geld für einen Neubau bezahlen. Selbst für eine provisorische Unterbringung zwischen Abriß und Neubau sollte der Investor vertraglich zur Kasse gebeten werden.

Die PDS-Stadträtin, die betont, kein Investorenschreck zu sein, schildert den Prozeß unkompliziert. Bereits 1994 wäre der erste neue Club in der Werneuchener Straße bezogen worden. Der Investor ECE Projektmanagement GmbH Hamburg habe ihn „in einem atemberaubenden Tempo zwischen Januar und September errichtet“. Der zweite Neubau in der Rüdickestraße wurde im Januar 1997 bezogen. Und in den nächsten Wochen wird gleich zweimal Einzug gefeiert. „Der fünfte Neubau ist leider noch nicht spruchreif“, bedauert die Stadträtin.

Zwischen Abriß und Neubau fanden die Jugendlichen in einigen der zahlreichen freigezogenen Kitas im Neubaubezirk ein provisorisches Domizil. Sobanski, die als harte Verhandlungsführerin gilt, hebt hervor, daß die Investoren dadurch das Geld für provisorische Clubs sparten. „Die Kitas gehören ja dem Bezirksamt. Aber wir haben die Investoren verpflichtet, das dadurch eingesparte Geld in den Neubau zu stecken.“

Nicht überall wurden die Jugendclubs so unkompliziert erhalten wie in Hohenschönhausen. Köpenicker Jugendliche kämpfen gegenwärtig für den Erhalt des einzigen Dienstleistungswürfel-Jugendclubs in ihrem Bezirk. Der Allende-Club in der Pablo-Neruda- Straße wird jetzt abgerissen, ohne daß das Bezirksamt mit dem Investor rechtzeitig eine Nachfolgelösung ausgehandelt hatte. In zwei Wochen soll ein provisorischer Ersatzclub in einer ehemaligen Poliklinik öffnen. Den bezahlen nach Auskunft von Köpenicks Baustadtrat Werner Gehrmann (CDU) Investor und Bezirk gemeinsam. Auf die vertraglich mögliche Alleinfinanzierung des Investors sei der Bezirk deshalb nicht zurückgekommen, „weil dann das Geld für den Neubau am Schwefelberg knapp werden würde“. Hierfür müsse der Investor nur das Geld zum Zeitwert zur Verfügung stellen. Wegen des schlechten Zustandes der Abrißimmobilie sei der gering, so Gehrmann, und reiche nicht für einen Neubau.

Die Probleme des Köpenicker Bezirksamtes kann die Hohenschönhausener Stadträtin Sobanski nicht verstehen. „Der Bezirk hätte sich einen neuen Club und die Miete für ein Provisorium bezahlen lassen können, wenn er besser verhandelt hätte.“ Auch die grüne Jugendpolitikerin Jeanette Martins geht davon aus, Köpenick hätte bessere Bedingungen in der Ausschreibung festschreiben müssen.

Der Bürgerverein Allendeviertel zweifelt daran, daß der Bezirk sich überhaupt ernsthaft um einen Neubau bemüht. Dem Vereinsvorsitzenden Klaus Behrend liegen Informationen vor, wonach der Bezirk den Neubau ganz einsparen und das Provisorium zur Dauerlösung machen will. Marina Mai

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