Sturm im Wasserglas

Neuer Wirbel um die Qualität des Hamburger Trinkwassers. Belastung mit Keimen und Nitraten gering, problematisch bleibt das Blei  ■ Von Achim Fischer

Sekt oder Selters ist bei den derzeitigen Temperaturen kaum mehr eine Frage. Eher ob Hahn oder Flasche. „Sie können ihren Flüssigkeitsbedarf mit Mineralwasser oder auch mit Trinkwasser aus dem Hahn abdecken, je nach Gusto, die Wahl bleibt ihnen überlassen“, erklärte gestern der Ernährungswissenschaftler Prof. Fernheim, Sprecher des Wissenschaftlichen Beirates des „Vereins zur Förderung der gesunden Ernährung und Diätetik“(VFED). Der Verein wollte gestern in Hamburg die Wogen um angeblich keimverseuchtes Mineral- und Leitungswasser glätten. Und sorgte für neue Wasserwirbel.

In den vergangen Wochen waren bundesweit Schlagzeilen über krankheitserregende Keime in Mineralwasserflaschen und im Leitungswasser erschienen. Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser fragten beim VFED an, einem Zusammenschluß von 850 Ernährungsberatern: Lauert Dünnpfiff und Schlimmeres in den Flaschen? Oder in der Leitung? Antwort des VFED: weder noch.

Die Pressemeldungen bezogen sich fast immer auf „potentiell pathologische Keime“. Diese Mikroorganismen stellen nur für Risikogruppen mit einer fehlenden oder schwachen Immunabwehr eine Gefahr dar: etwa für Patienten nach einer Organtransplantation, für Aids-Kranke oder auch für Neugeborene. Etwa jedeR Tausendste in der Bevölkerung fällt in eine dieser Kategorien. Wer zu diesen Risikogruppen zählt oder sie betreut, weiß um die Gefahr und kocht Wasser grundsätzlich ab.

Die übrigen 99,999 Prozent der Bevölkerung können nach Einschätzung der VFED Mineral- wie Leitungswasser bedenkenlos trinken. „Beide sind gut für die Ernährung“, sagt Vereinsvorsitzender Sven-David Müller. „Aber das Mineralwasser hat zusätzliche Vorteile, weil es Mineralien und Spurenelemente enthält und weil es rein und frei von Schadstoffen direkt an der Quelle abgefüllt wird.“Trinkwasser dagegen müsse „oft chemisch aufbereitet“und durch ein „weitverzweigtes Leitungsnetz“geschleust werden.

Mineralwasser, so der nächste Hinweis, müsse zudem nach dem Gesetz eine „günstige Wirkung“auf den Organismus haben. Trinkwasser dagegen dürfe „der Gesundheit nicht schaden“. Und dann gäbe es da in Hamburg noch die „nicht geringe“Nitratbelastung. Fünf Wasserwerke immerhin könnten den Wert von 20 Mikrogramm Nitrat pro Liter nicht einhalten, den die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde für Wasser empfiehlt, mit dem Säuglingsnahrung zubereitet wird.

Fünf Wasserwerke mit erhöhten Nitratwerten? Aufregung bei den Wasserwerken. Die Umweltbehörde weiß von „fünf Meßstellen“, an denen die Werte überschritten werden. Nur: Meßstellen gibt es in der Stadt 1800, zur Beobachtung des gesamten unterirdischen Wasserreservoirs. Die Werte im geförderten Lebensmittel haben damit nichts zu tun. „Sehr stolz“sei er auf die Qualität des Wassers, berichtet der Geschäftsführer der Hamburger Wasserwerke (HWW), Hanno Hames. Südlich der Elbe ist es ein Milligramm Nitrat pro Liter, nördlich zwei, nur in der Haseldorfer Marsch sind es knapp zehn Milligramm – immer noch weit unter dem Wert der meisten Mineralwässer.