: Barrieren für Rollstühle
■ Keine Aufzüge in Bahnhöfen, Stufen vor Kneipeneingängen und enge Toiletten, Bremer RollstuhlfahrerInnen werden oft von unscheinbaren Hindernissen gestoppt
Zu hohe Stufen, zu schmale Türen, keine Behindertentoiletten, oft sind dies unüberwindbare Hindernisse für RollstuhlfahrerInnen. Schwere Vorwürfe erhebt das Bremer Fahrdienst Forum gegen öffentliche und private Bauträger. Die Selbsthilfeinitiative behinderter Menschen streitet seit fast zwanzig Jahre für eine rollstuhlgerechte Stadt. „Unsere Bedürfnisse werden bei den Behörden oft ignoriert oder inkompetent behandelt“, ärgert sich Wilhelm Winkelmeier. Seit zehn Jahren seien ihnen Aufzüge für die Bischofsnadel an derDomsheide versprochen worden, es gibt immer noch keine. Der Aufzug komme im nächsten Jahr verspricht dagegen Hartmut Spieseke, Sprecher des Bausenators. „Da wird mit viel Tamtam in der Innenstadt eine öffentliche Behindertentoilette mit teurem Kupferdach aufgestellt, aber die über die Stadt verteilten Musik-Klos können RollstuhlfahrerInnen nicht benutzten. Sie sind zu klein“, sagt Winkelmeier.
„1991 haben wir in einer Petition an die Bremer Bürgerschaft die zu steilen Rampen im Stadtexpress Vegesack-Verden bemängelt. Die können nur vom Schaffner bedient werden. Wenn der nicht da ist, kannst du nicht aussteigen“, sagt Horst Frehe. Auch seien viele Bahnhöfe nicht passierbar, es fehlten, wie in Walle, Aufzüge zu den Bahnsteigen. „Bis heute ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen“, erregt sich Fehe.
Hartmut Spieseke vom Bausenat, weist die Kritik zurück: „Wir haben eine Menge getan. Aber in Bremen gibt es sehr viel Altbauten, die kann man nicht beliebig verändern, daß ist auch eine Geldfrage.“Bei Neubauten, so Spieseke, sei der Bausenat in puncto Behindertenfreundlichkeit voll am Ball.
Stein des Anstoßes zur Zeit ist die Bauplanung für die Mühle am Wall. Die Touristenattraktion soll von der Bremischen saniert werden. Eine behindertengerechte Toilette und eine sichere Auffahrt ist aber nicht vorgesehen, kritisiert Jörg Vosteen von der Selbsthilfeinitiative. Martin Paslak vom Bauträger Bremische: „Die Mühle mit dem ganzen Ambiente ist als Baudenkmal geschützt. Wir dürfen nicht unbegrenzt Veränderungen vornehmen. Außerden sind die Mittel knapp.“Gerade wegen der Mühle hätte die Baubehörde versucht, mit Behinderten das Wegeproblem zu lösen, sagt der zuständige Sachgebietsleiter Zantke. „Mit uns hat niemand gesprochen“, wundert sich Horst Frehe.
Sauer werden die Leute von der Behinderteninitiative, wenn es um Bremer Kneipen geht. „Die Kneipen am Ostersteintorweg sind ein Horror“, sagt Wilhelm Winkelmeier. Vor dem Teatro verwehrt eine 15cm hohe Stufe den Eingang. Auch das Casablanca wird von Treppen versperrt. „Wenn man die Leute darauf aufmerksam macht, muß man sich noch dumm anquatschen lassen“, erzählt Jörg Vossteen. Dabei wäre eine Lösung einfach, es gibt transportable Rampen.
„Früher haben wir gegen jeden Bordstein gekämpft“, sagt Horst Frehe. Heute entwirft das Fahrdienst Forum Konzepte für behindertengerechtes Wohnen und Arbeiten. „Da gibt es gute Ansätze“, sagt Frehe. „Zum Beispiel haben die Betreiber der Luxuskinos Cinemaxx auf jeder Etage ein Behindertenklo vorgesehen, überall kommt man mit Aufzügen hin. Allerdings sind zwei Kinos für Rollstühle nicht zugänglich und, Rollstuhlfahrer können nur in der ersten Reihen sitzen.“
Jetzt arbeiten die Fahrdienstler an einer Veränderung der Landesverfassung und der Landesbauordnung, in der behinderten freundliches Bauen festgeschrieben werden soll. So sollen für behindertenfeindliches Bauen Bußgelder verhängt werden können. Nur unter Schwierigkeuiten werden die RollstuhlfahrerInnen ihre Gestzestexte im Rathaus abgeben können. Der Eingang ist mit einer Treppe versperrt. Thomas Schumacher
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