Machtwechsel nur auf Papier

■ Alster schlägt HTHC mit 4:2 und will nun hoch hinaus Von Clemens Gerlach

Anfang diesen Jahres fällte Martin Siebrecht eine wichtige Entscheidung. „Ich will noch mindestens drei Jahre in Hamburg bleiben“, sagte sich der Trainer des Hockey-Bundesligisten Club an der Alster, „denn nach Mülheim kann ich immer noch später zurückgehen.“ Hier habe er „Perspektiven gesehen“. Für den Hamburger Vorzeige-Verein das rechte Signal zur rechten Zeit, ein gezielter Tritt in den Hintern der etwas träge gewordenen Hanseaten.

Längst überfällig war diese Ini-tiative: Seit Anfang der 90er dominiert der Harvestehuder THC das Hamburger Männerhockey. Während die Gelb-Schwarzen unter Trainer Jost Miltkau seit fünf Jahren konstant an der Bundesligaspitze mitspielen und erst kürzlich Europapokalsieger wurden, „sind wir nur im Mittelfeld rumgedümpelt“, so Alsters Kapitän Freddie Ness. Der letzte große Erfolg datiert von 1988, als man in der Halle Zweiter wurde. Seitdem „lag vieles brach“, sagt Siebrecht.

Doch jetzt, wo der angehende Bauingenieur seine Zusage gegeben hat, Planungssicherheit gewissermaßen da ist, soll die Wende eingeleitet, der Rückstand auf den HTHC aufgeholt werden. Ein Drei-Jahres-Plan wurde verabschiedet, „auf meinem und Freddies Mist gewachsen“. Ziel des neo-sozialistischen Planungskonzepts ist es, bald wieder eine Endrunde zu erreichen. Möglichst schon diese Saison. Am Ende soll ein Titel stehen.

Geld ist für das ehrgeizige Projekt nicht vorhanden, zumindest nicht soviel, daß Alster die besten Akteure von der Konkurrenz abwerben könnte. Statt dessen setzt man auf das im Club vorhandene soziale Kapital, vor allem des Förderkreises, die persönlichen Kontakte in die solventen Hamburger Kreise. „Wir müssen das perfekte Umfeld schaffen“, fordert Siebrecht, „sonst kommen die fertigen Spieler nicht. Alle müssen mithelfen.“ Der Plan scheint zu funktionieren: Mit Björn Gerke und Hans-Henning Fastrich konnten zwei „gestandene Männer“ zu Alster gelockt werden.

Auch im ersten direkten Duell mit dem HTHC war Alster erfolgreich. Am Mittwoch gab es einen 4:2-Sieg gegen den Lokalrivalen, „weil wir besser gespielt haben“, so Siebrecht. Und weil der HTHC nicht mehr die überragende Mannschaft der vergangenen Saison ist und sein kann: Blunck und Krüger sind noch lange verletzt, Rott kommt erst zur Hallensaison aus Mailand zurück und Gerke wechselte zu Alster. Vier Leistungsträger, die fehlen. „Das kann keine Mannschaft wegstecken“, sagt Miltkau, dem die Führungspersönlichkeiten ausgegangen sind, „die jungen Spieler können schwer Ruhe bewahren.“

Was dem sieglosen Tabellenschlußlicht HTHC Grund zur Sorge ist – „die Spieler sind es nicht gewohnt, unten zu stehen“ (Miltkau) – kann für Alster die Gelegenheit sein vorbeizuziehen. Ein Machtwechsel habe sich, so Miltkau, nur „auf dem Papier“ vollzogen, selbst wenn „Alster momentan besser ist“. Auch Siebrecht will das 4:2 nicht „überbewerten“. Dennoch ahnt nicht nur der 32jährige, daß die Chance noch nie so groß war wie jetzt, das für unbewußte Befindlichkeiten sensible Kräfteverhältnis nachhaltig zu verändern.