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Krankenhaus wird mehrsprachig

■ UKE führt Dolmetscher-Projekt für ausländische PatientInnen ein / Rechtsansprüche werden endlich eingelöst Von Silke Mertins

„Die Humanisierung des Krankenhauses ist uns eine Herzensangelegenheit“, selbstbeweihräuchert der ärztliche Direktor des Universitätskrankenhauses Eppendorf (UKE), Dr. Heinz-Peter Leichtweiß, das neue Dolmetscher-Projekt für ausländische PatientInnen im UKE. Mit einer 60.000 Mark starken Anschubfinanzierung von der UKE-Stiftung sollen 80 SprachvermittlerInnen ausgebildet werden, um systematisch in der Frauen- und Kinderklinik die Kommunikationsprobleme zwischen ÄrztInnen und Kranken aufzufangen.

Bisher mußte das medizinische Personal auf alle zurückgreifen, die mehr oder minder zweisprachig sind: Verwandte, zufällig anwesende BesucherInnen, ausländisches Pflegepersonal und nur zum Teil sachkundige Dolmetscher. „Unser Problem ist nicht, jemanden zu finden, der übersetzen kann“, so der Direktor der Kinderklinik, Franz-Josef Schulte. Vielmehr fehle es an Dolmetschern mit dem entsprechenden medizinischen und kulturellen know-how, um komplizierte Inhalte zu vermitteln.

Um die werdenden DolmetscherInnen auf kulturspezifische Symp-tomwahrnehmung und Krankheitsbedeutungen vorzubereiten, hat das UKE für seine Trainingskurse das Ethno-Medizinische Institut in Hannover engagiert. Von dieser kultur-linguistischen Ausbildung verspricht sich das Krankenhaus einerseits, daß die dann omnipotenten DolmetscherInnen „den richtigen Ton treffen und somit auch Tabu-Bereiche ansprechen können“. Zum anderen sollen Mißverständnisse in der Behandlung mit all ihren sekundären Komplikationen vermieden und Arbeitserleichterung für das Pflegepersonal erreicht werden.

„Die Idee eines Dolmetscher-Programms kommt reichlich spät“, kommentiert „Patienten-Rechtsanwalt“ Wilhelm Funke. Denn ausländische PatientInnen haben ohnehin einen Rechtsanspruch auf muttersprachliche Aufklärung über ihre Behandlung. „Der Handlungsbedarf ist schon lange dringend“, so Funke, „Dolmetscher sind selbstverständlich – das hat nichts mit Humanität zu tun.“ Eine mangelhaft eingeholte Einwilligung, zum Beispiel bei einer Sterilisation, kann erhebliche Schadensersatzforderungen nach sich ziehen. „Wenn sich das Krankenhaus des Putzpersonals als Dolmetscher bedient“, so Funke, müsse es im Zweifelsfall nachweisen, daß das ausreichend war. Ein Dolmetscher-Programm ist für den Juristen deshalb nichts anderes als ein Versuch, „die Defizite aufzuarbeiten“.

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