: Endlich den Sokrates hüpfen
■ „Bridge/ The map is not the territory“auf der Fleetinsel
Wie öffentlich ist eigentlich ein privatisierter öffentlicher Raum? Am Beispiel der topografischen Struktur der Fleetinsel zwischen Ökonomie und Kultur versucht die Ausstellung „Bridge/ The map is not the territory“dieser Frage künstlerisch nachzugehen. Initiiert von der Arbeitsgemeinschaft Fleet-insel, versteht sich die Ausstellung als Fortsetzung von Projekten im öffentlichen Raum, die seit den 80er Jahren in Hamburg realisiert wurden. Als Kuratorinnen für das Projekt wurden Ute Meta Bauer und Cathy Skene gewonnen.
Ute Meta Bauer kehrt an ihren Tatort zurück: Sie studierte an der Hochschule für bildende Künste, war Mitglied der Künstlergruppe „Stille Helden“und ist derzeit Leiterin des Institutes für Gegenwartskunst an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Ihre Auswahl unter dem Titel The Bridge bezieht sich auf Projekte aus dem Jahre 1989, auf die Ausstellung D&S. Erneut zeigt General Idea aus Canada ihre „AIDS“-Skulptur nun auf dem Platz zwischen Steigenberger-Hotel und Fleethof. 1993 wurde der Ankauf der Plastik für Hamburg von der merkwürdigen Kunstkommission abgelehnt. Mittlerweile sind zwei Mitglieder der Künstlergruppe an AIDS verstorben. Als Brücke zur „Handlung“(Admiralitätstraße 76), die als Informationsraum genutzt wird, funktionieren die „Shopping Bags“der aufgelösten Group Material: Fliegende Militärhubschrauber über den Namen von Modehauptstädten, die sich zugleich als Umschlagplätze des internationalen Waffenhandels entpuppen. Der 3. Weltkrieg ist medial - und wird längst geführt.
Die Künstlerin Cathy Skene wählte sechs Positionen zeitgenössischer KünstlerInnen aus, die zu situativen und urbanistischen Themen arbeiten. Die Neubebauuung der Fleetinsel zwischen Kunst und Kommerz gerät so ins Zentrum. Ihre Besonderheit besteht darin, daß hier ein öffentlicher Platz von der Stadt an eine Immobilienfondgesellschaft verkauft wurde. Damit ist der öffentliche Raum bereits an den Meistbietenden verschachert worden und nur noch als simulierter zu erwerben. Nun kommen die Künstler und simulieren die Simulation, die dadurch wieder zu einer eingreifenden Handlung wird.
Die Hüpfburg von Michaela Melián basiert auf der architektonischen Gesamtsituation und ist eine aufblasbare Spielwiese. Künstlichkeit als aufblasbare Architektur: Corbusiers Wohnmaschinen als Luftmatratze und faltbare Ghettos, hüpfende Arbeitslose und springfidele Künstler. Eine Arbeit der Künstlerin mit notwendigem, bissigem Humor.
Dies gilt auch für das intelligenteste Werk dieser Ausstellung von Alice Creischer (Michaelisbrücke 3). Sie macht die „Broken-Windows-Theorie“nutzbar, weil Öffentlichkeit ein Loch ist, „daß nicht gestopft werden kann“.
Mit einer optischen Täuschung, die sich sowohl auf den ursprünglichen Begriff der Kunst wie auch auf das „Large Glass“von Marcel Duchamp bezieht, zerstört sie die Fensterscheiben der umgebenden Architektur und gerät an die Grenze dessen, was Kunst darf. Die Produktion „sozialer Inakzeptanz“wird so zum Grenzgang. Arbeiten dieser Art benötigen wir, um endlich eine operative Kunst im Sinne Walter Benjamins zu etablieren. Insgesamt wünschte man der gelungenen Ausstellung noch mehr Mut. Zerschlagt die medialisierte und privatisierte Öffentlichkeit - ab auf die Marktplätze - und hüpft den Sokrates. Gunnar F. Gerlach
Eröffnung: heute, 16 Uhr. Bis 27. September, außerdem gibt es einen Flohmarkt mit der Performerin Annette Wehrmann, Fleetmarkt, jeden Samstag 8 - 18 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen