piwik no script img

Dignidad-Führung wird nicht ausgewiesen

■ Chiles Präsident vertraut der Justiz. Sekten-Vize Hopp muß in Haft bleiben

Berlin (taz) – Der chilenische Präsident Eduardo Frei hat den Vorschlag abgelehnt, die Führung der Colonia Dignidad in Südchile des Landes zu verweisen. Ein Untersuchungsausschuß des Parlaments, der am Donnerstag früh seinen Abschlußbericht vorgelegt hatte, hatte gefordert, all jene Führungsmitglieder der deutschen Sekte des Landes zu verweisen, gegen die keine Verfahren von seiten der chilenischen Justiz anhängig sind.

Frei sagte im Präsidentenpalast in Santiago, er vertraue auf die Fähigkeiten der chilenischen Justiz, die anhängigen Prozesse zu Ende zu führen. Eine Ausweisung von Sektenmitgliedern halte er derzeit nicht für angebracht. Die Justiz untersucht neben den Vorwürfen des Kindesmißbrauchs gegen Sektenchef Paul Schäfer seit jüngstem auch die seit langem bekannten Vorwürfe, auf dem Gelände der Colonia seien zur Zeit der Militärdiktatur 112 Oppositionelle gefoltert und ermordet worden.

Gegen den Leiter des Krankenhauses der Colonia Dignidad, Hartmut Hopp (53), der Ende vergangener Woche verhaftet wurde, wird ein Strafverfahren eingeleitet. Das zuständige Gericht in der Stadt Talca erklärte am Donnerstag die Klage für zulässig, Hopp habe Schäfer geholfen, sich dem Zugriff der Justiz zu entziehen. Gleichzeitig lehnte das Gericht einen Antrag der Verteidigung ab, Hopp gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen. Das Krankenhaus der Colonia ist seit der vergangenen Woche geschlossen.

Am Mittwoch hatten zwei sozialistische Abgeordnete gefordert, zur weiteren Untersuchung der Vorfälle um die Colonia solle eine Sondereinheit der Polizei mit ausgesuchten Mitgliedern gebildet werden. Die beiden Abgeordneten stützten sich auf die Aussagen zweier vor zwei Wochen geflohener Sektenmitglieder, die Colonia habe Freunde bei der Polizei, die sie vor jedem Einsatz warnen würden. Zu diesem Vorschlag äußerte sich der Präsident nicht. Die Polizei hatte in den letzten Monaten etliche Male Teile des Sektengeländes nach dem Sektenchef Schäfer durchsucht, ohne jedoch fündig zu werden. Bernd Pickert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen