: Unterm Strich
Er wird gern als der Zeichner der „kleinen Leute“ wahrgenommen, doch das findet Jean-Jacques Sempé zu Recht blöde. „Ich hasse es, von ,kleinen‘ Leuten reden zu hören. Als ob es ,große‘ gäbe“, sagte er einmal in einem Interview. „Ich interessiere mich für die alltäglichen Leute.“ Deren Macken, aber auch deren unheimlichen Charme bringt der französische Karikaturist seit Jahrzehnten mit sparsamen Strichen zu Papier. Gestern feierte der Zeichner des „kleinen Nick“ in Paris seinen 65. Geburtstag.
Sempé wurde 1932 in der südwestfranzösischen Stadt Bordeaux als Sohn eines Kolonialwarenhändlers geboren. In seiner Jugend träumte er davon, Jazzmusiker zu werden. Doch sein zeichnerisches Talent setzte sich durch. Mit 17 Jahren meldete er sich vorzeitig in Paris zur Armee. So kam man damals aus Bordeaux raus. Vor dem Einrücken in die Kaserne besuchte er den berühmten Karikaturisten Chaval, um ihm seine Zeichnungen zu zeigen. In dessen Wohnung hing eine Reproduktion eines Picasso-Porträts von Igor Strawinsky, was Sempé sehr schlecht gezeichnet fand. „Wenn Sie es gut gezeichnet finden, haben Sie Fortschritte gemacht“, entgegnete Chaval.
Fortschritte hat Sempé, der nie einen Zeichenkurs besuchte, seitdem in der Tat gemacht. Bereits als 19jähriger arbeitete er für Magazine wie Paris Match, Punch oder L'Express. Der große Durchbruch kam nach seiner Begegnung mit René Goscinny. Gemeinsam mit dem Asterix-Vater schuf er Anfang der sechziger Jahre das Album „Le petit Nicolas“ („Der kleine Nick“). Das Buch wurde ein Welterfolg. Zeitweilig lebte Sempé auch in den USA, wo er für die legendäre Zeitschrift New Yorker 53 Titelseiten schuf. Die jüngeren Bände „Verwandte Seelen“ und „Das Geheimnis des Fahrradhändlers“ übersetzte Patrick Süskind ins Deutsche. Von beiden gemeinsam stammt „Die Geschichte des Herrn Sommer“.
Ansonsten mag er es nicht, „sich über die Idee, die er von Frauen hat“, lustig zu machen. Die Leichtigkeit seiner Federstriche täuscht darüber hinweg, daß Zeichnen für den passionierten Fahrradfahrer harte Arbeit ist. Viele Entwürfe landen im Papierkorb. „Manchmal sitze ich einen Monat an einem Bild und werde nicht fertig“, gesteht der Karikaturist. „Alles, was ich tue, ist schwierig. Es ist wie bei einem Trapezkünstler. Es muß einfach aussehen.“
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