: Ein Sonderzug ins kurdische Diyarbakir
■ Ein „Europäischer Friedenszug“ als Protest gegen den Krieg in Kurdistan
Göttingen (taz) – Vielerorts hängen die Plakate, dann und wann taucht das Motiv auch schon auf T-Shirts auf: Ein Zug fährt durch eine wilde Berglandschaft. Darüber der Schriftzug „Join the Winning Side – Ride the Musa Anter Peace Train“. Kurdische Verbände, Menschenrechtsgruppen und Friedensinitiativen aus mehreren europäischen Staaten wollen mit einer Eisenbahnfahrt gegen den Krieg und für Demokratie in Türkei-Kurdistan werben.
Der nach dem 1992 vermutlich von Todesschwadronen ermordeten kurdischen Dichter und Journalisten Musa Anter benannte Sonderzug mit zehn Waggons und mehreren hundert Menschen an Bord – bis zum Wochenbeginn gab es knapp 400 verbindliche Anmeldungen – wird am 26. August in Brüssel starten. Die vorgesehene Route führt über Deutschland, Österreich, Ungarn, Jugoslawien und Bulgarien in die Türkei. In den meisten großen Städten an der Strecke sind Kundgebungen, Kulturveranstaltungen und Pressekonferenzen geplant. In Istanbul soll der Zug auf Fähren verladen und über den Bosporus transportiert werden. Am 1. September, hoffen die Veranstalter, könnte er in der kurdischen Stadt Diyarbakir eintreffen.
Die Idee, einen „Europäischen Friedenszug“ auf die Schienen zu bringen, hat sich der „Appell von Hannover“ ausgedacht. Die Initiative ist vor knapp anderthalb Jahren von fast 500 Vertretern von Parteien und Gewerkschaften, Menschenrechtsgruppen wie Pro Asyl und medico international sowie einigen prominenten Einzelpersonen gegründet worden, um den „Prozeß der Demokratisierung in der Türkei und die unverzichtbare Achtung der Menschenrechte durchzusetzen“.
Recht forsch formulieren die Veranstalter denn auch ihre Erwartungen an die neue Initiative. „Die Menschen des Friedenszuges erwarten während ihrer Anwesenheit eine Antwort der türkischen Regierung“, erklärt Appell-Sprecher Hans Branscheidt. Dabei sind Zug und Passagiere der türkischen Regierung alles andere als willkommen. Nachdem eine Intervention des türkischen Botschafters bei der belgischen Bahndirektion zur Verhinderung des Sonderzugs gescheitert sei, versuche die Regierung nun, über ihr nahestehende Medien gegen die Kampagne Stimmung zu machen, berichtet Songül Kaya vom Organisationsbüro in Oberursel. Sie schließt denn auch die Möglichkeit nicht aus, daß der Sonderzug bereits an der türkischen Grenze gestoppt und gar nicht ins Land gelassen wird. Reimar Paul
Kontakt: Appell von Hannover, Postfach 35, 61445 Oberursel; Tel./ Fax: (06171)981348/34
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen