: So etwas tut man einfach nicht Von Susanne Fischer
Heute möchte ich aus dem berühmten Drogendorf Eldingen berichten. Es liegt in der Südheide und hat schätzungsweise tausendfünfhundert Einwohner, die eigentlich alle pausenlos bekifft auf der Straße herumliegen müßten. Eldingen hat nämlich einige interessante Kräutergärten aufzuweisen; die Eldinger Polizei verweist dagegen stolz auf eine gigantische Aufklärungsquote. Ich weiß nicht, ob es viele andere Dörfer gibt, in denen binnen einer Woche zwei Cannabis-Plantagen ausgehoben werden, wobei die Polizisten die Aufgabe haben, gleichzeitig die Pflanzen sicherzustellen und sich darüber zu wundern, daß die Eldinger Drogengärtner keinerlei Schuldbewußtsein an den Tag legen, sondern frech von „Eigenbedarf“ sprechen, obwohl man den Ertrag von 1.200 Quadratmeter Anbaufläche wohl kaum mal eben in der Pfeife wegrauchen kann.
Bemerkenswert ist aber auch, daß Eldingen nur einen kleinen Polizei-Außenposten hat. Sicher langweilt sich der einsame Polizist, und doch bleibt es schwer vorstellbar, daß er die Gärten, Felder und Wälder auf- und abrast (ja, auch mitten im Wald wurden schon sorgfältig gepflegte Anpflanzungen gefunden) auf der Suche nach dem kleinen, feinen Haschgarten. So ist es ja auch nicht.
Vielmehr gibt es auf dem Lande alleweil gärtnerisch interessierte Nachbarn. Die rufen dann schon mal die Ordnungsmacht für Gartenbepflanzung an, weil sie Angst haben vor Überfremdung ihres Erdbeerbeetes durch die exotischen Gewächse ihres Nachbarn. Sie erwähnen am Telefon auch beiläufig, daß bei der Renovierung des historisch wertvollen Bauernhauses drei Häuser weiter erschreckend viel polnisch gesprochen werde, so als ob ihre Erdbeeren davon auch beeinträchtigt werden könnten. Wenn die Beamten angefahren kommen, werfen sich Polen mit mörtelverklebten Händen umgehend in die Liegestühle und behaupten, zur Erholung in die Heide gereist zu sein. Dem einen lugt noch die Kreissäge aus dem Overall, und da hilft dann natürlich gar nichts mehr.
Gesetzestreue könnte vor den neugierigen freiberuflichen Polizeiassistenten schützen, denkt sich der naive Neuankömmling. Gesetzestreue ist aber etwas, das immer nur in Annäherungswerten erzielt werden kann und auf dem Lande noch weniger zum Leben taugt als in der Stadt: Rasenmähen zur falschen Zeit und Autoparken auf der falschen Straßenseite, bzw. in die falsche Richtung, also mit der Nase gegen die Fahrtrichtung, ja, ha!, das wußten Sie wohl nicht? Ist aber äußerst ordnungswidrig und kann geahndet werden. Sobald sich gegenüber die Gardine verschiebt, heißt es vorsichtig agieren. Wer in seine Hecke nicht das richtige Muster schneidet oder Knoblauch an den Braten gibt, muß sich darauf gefaßt machen, den Polizei- Außenposten von innen kennenzulernen. Schon reibt sich der Nachbar schadenfroh die Hände. Zwar hat er nicht direkt etwas gewonnen, muß sich vielmehr künftig auch in acht nehmen und kann seine Gartenabfälle nur noch ganz heimlich verbrennen, aber jedenfalls hat er's dem anderen mal gezeigt. Das war ja schon seit 50 Jahren fällig, wo damals doch der Großvater des Nachbarn den Großvater des Denunzianten wegen Schwarzschlachtens angezeigt hat. Und so etwas tut man einfach nicht.
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