Das Pfeifen der goldenen Reiter

■ Mit der Knappheit Grooveriders und den Bläsern LTJ Bukems kommen zwei unterschiedliche Entwürfe von Drum'n'Bass

Jetzt geht es darum, sich auszubreiten. Nachdem einige Großmeister des Drum'n'Bass wie Goldie Solowerke vorlegten, werden gegenwärtig die Weggenossen in den Startlöchern postiert. Zuerst hat sich Goldie mit seinem Metalheadz-Label in den Markt eingeschleust, jetzt zieht sein jazziger Antipode LTJ Bukem mit seinem Good-Looking-Label nach. Dabei ist der zweite Logical-Progression-Sampler nicht mehr vom Labelbetreiber selbst präsentiert, sondern von Blame, der auf einer der Doppel-CDs eine neue Seite des Labels aufblättert. Denn auf der ersten labeltypisch mit sphärischen String-Sounds durchzogenen CD verlötet er Drum'n'Bass mit Stimme. Während bei LTJ Bukem die beiden hauseigenen Rapper, Conrad und DRS, nur gelegentlich eingreifen, kommen sie bei Blame ganz außer Atem. Das Problem ist aber, daß beider Worte ziemlich hölzern über den freundlichen Drum 'n'Bass von Blame herfallen.

Kompromißloser geht da schon Grooverider zu Werk. Der harsche Altmeister aus London, der bereits vor zehn Jahren an der dortigen Acid-House-Szene beteiligt war, traut sich jene grob behauenen Skulpturen zu, die manchmal zur Essenz von Drum'n'Bass führen. Auf The Prototype Years, einem DJ-Set von Grooverider, geht es schnörkellos zur Sache. Kaum Zierat, kaum Süßigkeiten für die Pop-Crowd. Grooverider zieht den Tracks die Haut ab, bis, wie auf dem Cover, nur noch die Schädelknochen zu sehen sind. Knapp und trocken konstruierte Stücke voller Kraft und Härte von Weggefährten wie Dilinja, Ed Rush oder Boymerang sowie von der „next school“des Drum'n'Bass um John B. und Optical werden von Grooverider zu einer Faust verschnürt, die an den Nerven reißt. In der Knappheit liegt die Kraft.

Damit flankieren sowohl LTJ Bukem als auch Grooverider ihren ureigenen Stil mit ähnlich veranlagten Produzenten. Daß darüber der Ursprung verschleiert wird, wird billigend in Kauf genommen. Wer steckt eigentlich noch hinter dem einzelnen Track, der von einem Produzenten, dem „engineer“, für die bekannteren DJs hergestellt und von diesem präsentiert wird? In dieser Symbiose löst sich die Autorenschaft im Drum'n'Bass auf. Der DJ wird zum Etiket, zum Labelnamen. Volker Marquardt Grooverider: Fr, 22. August, 23 Uhr / Logical Progression: Mi, 27. August, 21 Uhr, Mojo Club