: Zum Abschied ein Gruß an den Schweinehund
■ Die Künstler Uli Brüstle und Lea Schmocker präsentieren Chansons von Brel, Barbara und Boris Vian
Ach ja, die Liebe. Sie schmerzt, erfreut, macht melancholisch, euphorisch, und Tränen kullern immer wieder übers Gesicht. Möchte man einen Tag die Welt umarmen, so jagt man sie schon am nächsten zum Teufel. Die Liebe, ach ja. Wen sie überkommt, der schreibt. Komische Gedichte, skurrile Geschichten, sentimentale Lieder, über die man lacht, grübelt und weint und die man nicht wieder vergißt.
Jacques Brel, Barbara und Boris Vian waren häufig verliebt, selten glücklich, aber immer so, daß es das Herz zum Tanzen brachte. Viele skurrile Geschichten und trotzig-sentimentale Chansons haben sie verfasst, ein kleiner Teil davon hat es Lea Schmocker und Uli Brüstle besonders angetan.
„Salut Salaud“(Auf Wiedersehen, Schweinehund) – mit diesem derben Gruß aus einem Lied von Vian, gemünzt auf einen Freund, der ihm die Frau ausgespannt hat, verabschiedeten sich die beiden Künstler nach zwei Stunden von ihrem Publikum. Die wenigen Gäste im Jungen Theater hatten einen Chansonabend erlebt, der vor allem nach der Pause überzeugte, weil die Schweizerin ihre anfängliche Nervosität abgelegt hatte und sich mutiger ihren Liedern und deren Figuren näherte. Mit einigem Gespür für Situationskomik und Tragik eröffnete Schmocker, sensibel getragen von Brüstles aufmerksamem Klavierspiel, theatralisch und stimmgewaltig Einblicke in die Abgründe des alltäglichen Beziehungswahnsinns.
Ob in „Vienne“, einem wunderschönen Lied über die Unmöglichkeit, gemeinsam glücklich zu sein und doch am Alleinsein zu scheitern, oder aber in Brels „Ne me quitte pas“, einer herzerweichenden Ballade über die Angst, verlassen zu werden – Schmocker vertraute der Qualität ihrer Stimme und der Stücke, und es gelang ihr, eine Atmosphäre zu schaffen, die trotz abgründigster Geschichten frei war von kitschiger Intimität.
Von überirdischen Glücksmomenten, witzigen Erlebnissen und niederschmetternden Schicksalsschlägen sang die Schweizerin; vom Säufer, der sich das Motto „Keine Nacht ohne Drogen“zu eigen gemacht hat, vom absurden Besuch beim Dentist Durand oder Barbaras Trauer, weil sie zu spät an das Totenbett ihres Vaters eilt. Wenn Schmocker, was sie etwas zu selten tat, auf Slapstickeinlagen verzichtete und einfach nur von Liebe und Herzschmerz sang, dann drehte der ein oder andere Zuhörer gedankenverloren sein Weinglas in der Hand. Und in manchen Augenblicken schien es sogar so, als ob die große rote Rose im Hintergrund aus sehnsüchtigsten Träumen zu erwachen schien.
Daß Lea Schmocker jeden Chanson komödiantisch einführte, erleichterte auch denjenigen unter den BesucherInnen den Zugang, die der französischen Sprache nicht so mächtig waren. Doch – die anderen und der Rezensent, wir haben uns nett unterhalten. Das sollten Sie, liebe LeserInnen, auch tun. Denn etwas mehr Aufmerksamkeit haben Lea Schmocker und Uli Brüstle durchaus verdient. zott
„Salut Salaud“heute und morgen ab 22 Uhr im Jungen Theater
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