■ Vorschlag: Weder Hofkunst noch entartet - Hermann-Blumenthal-Ausstellung in der Kunsthandlung Werner
Vorschlag
Weder Hofkunst noch entartet – Hermann-Blumenthal-Ausstellung in der Kunsthandlung Werner
Bei Kunst, die während des Nationalsozialismus entstanden ist, wird im allgemeinen nicht lange gefackelt. Da ist einmal die „entartete“ Kunst – das ist die „gute“ Kunst. Demgegenüber steht die Haus- und Hofkunst der Nazis nebst zahlreichen Mitläufern, das ist die „schlechte“. Die Plastiken von Hermann Blumenthal (1905–1942), die der Kunsthandel Wolfgang Werner in der Fasanenstraße derzeit ausstellt, wollen so recht weder in die eine noch in die andere Kategorie passen. Um die Sachlage zu komplizieren: Man kann nicht einmal behaupten, Blumenthal sei – was immer das eigentlich bedeuten mag – in die innere Emigration gegangen.
Gezeigt werden Werke aus den Jahren 1927 bis 1939: Blumenthal, 1905 in Essen geboren, als junger Mann nach Berlin übergesiedelt und 1942 wenige Wochen vor seinem 37sten Geburtstag in Rußland den Soldatentod gestorben, war sicher kein Revolutionär der Bildhauerei. Der gelernte Steinmetz, früh hochgelobt und mit zahlreichen Preisen und Stipendien bedacht, orientierte sich zeit seines kurzen Lebens an der menschlichen Figur, so wie sie Auguste Rodin in den letzten beiden Dekaden des 19. Jahrhunderts gesehen hatte: als solche jederzeit erkennbar, aber im Grunde nicht Abbild einer realen körperlichen Erscheinung als vielmehr Ausdruck eines Seelenzustandes.
Das reichte, um von den Nazis in Ruhe gelassen zu werden. Mitunter kam es sogar vor, daß Blumenthal von offizieller Seite kleinere Aufträge erhielt. Die Resultate dürften die Auftraggeber kaum befriedigt haben. Der in einer merkwürdig verschränkten, statischen Pose eingefrorene „Kniende“ (Untertitel: „Spinne“) von 1930, der „Sitzende mit Tuch – Campagna-Hirt“ (1937) oder die „Kleine Stehende mit Tuch“ (1935), sie alle sind Lichtjahre entfernt von den einschüchternden Heroen Thoraks oder Arno Brekers.
Dabei war Blumenthal einem gewissen Pathos gar nicht abgeneigt. Doch dieses Pathos ist nicht das der Aggression. Es ist das Pathos der Innerlichkeit der Anthroposophen um Rudolf Steiner oder der Vereinigung der Wandervögel mit ihrem quasireligiösen Naturverständnis. Es ist der Sound der Zeit, den man damals von überall her hat hören können. Blumenthal ist keiner, der in die erste Reihe der Künstler des 20. Jahrhunderts gehört. Aber um diesen Klang, diesen heute so befremdlichen Tonfall hervorzubringen, mußte, vielleicht: durfte er es auch gar nicht sein. Keine große Ausstellung, aber das heißt nicht, daß sie nicht wichtig ist: ein Mosaikstein mehr. Ulrich Clewing
Mo.–Fr. 10–13 und 15–18 Uhr, Sa. 10–13 Uhr, Fasanenstr. 72, Charlottenburg
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