: Unterm Strich
Sie sei ihrer Zeit immer ein wenig voraus gewesen, heißt es in vielen Lobpreisungen zu Marie Marcks, die gestern 75 Jahre alt geworden ist. Da werden sie und ihre Fans es uns nicht übelnehmen, daß wir mit der freundlichen Geburtstagswürdigung etwas hinterherhinken. Die Karikaturistin gehört zu den meistgedruckten Zeichnerinnen des Landes. Rund 40 Jahre an der Feder, ist manches schöne Stück von ihr wiederzuentdecken, darunter so wunderbare 70er-Jahre- Titel wie „Ich habe meine Bezugsperson verloren“ oder die „Unfähigkeit zu mauern“. Ende August gibt's aber auch was Neues von der Marcksen: „Du siehst nie, was ich für dich tue“.
Eine solche Nachricht geht im Sommer immer und beruhigt die kulturkritisch angespannten Nerven. Das Lesen bleibt die beliebteste Freizeitbeschäftigung der Deutschen. Das geht aus einer Allensbach-Studie hervor, die das Info-Blatt der deutschen Unterhaltungsindustrie, „Spiel & Freizeit“, in Auftrag gegeben hat. Noch vor Radfahren, Gartenarbeit, Videos ansehen, aktivem Sport und Diskobesuch rangiert der Griff zum Buch an der Spitze der Hobbys. Ganz hinten: das Spiel an Automaten. Hierzu sei ergänzt, daß das Info- Blatt „Spiel & Freizeit“ zuallererst zwecks lobbyistischer Bemühungen der Spielautomatenindustrie gefertigt wird. Sollen wir das Ergebnis der Umfrage nun so verstehen, daß die Branche schlecht gearbeitet hat, oder daß wir uns wegen der paar Daddelkisten im Lande nicht sorgen sollen? 78 Prozent der Frauen und 68 Prozent der Männer in Deutschland sind nämlich „Leseratten“. 65 Prozent der Bundesbürger haben in den vergangenen zwölf Monaten Bücher gekauft – damit halten die Deutschen einen Spitzenplatz in Europa. Auf den Fersen sind ihnen Engländer und Franzosen mit jeweils 63 Prozent, gefolgt von den Niederländern (53), Spaniern (47) und Italienern (45 Prozent). Vor 20 Jahren gab es den Angaben zufolge in Deutschland nur 41 Prozent aktive Leser. Bei den Bibliotheksausleihen, auf die jeder dritte Bundesbürger zurückkommt, stehen Ratgeber und Sachbücher hoch im Kurs, während in den Buchhandlungen vor allem Unterhaltungsliteratur über die Theke geht.
Diese Nachricht geht auch fast immer. Es wird einmal wieder um den Vertrag des Berlinale-Chefs Moritz de Hadeln gerungen. Das Kuratorium der Berliner Festspiele hat de Hadeln ultimativ aufgefordert, den Vertrag über die Verlängerung seiner Amtszeit zu unterschreiben. De Hadelns bestehender Vertrag läuft im April 1998 aus. Unterschreibt er den neuen Entwurf nicht, müßte sich das Kuratorium nach einer neuen Lösung umsehen. Gegenstand der zögerlichen Unterschreiberei ist vor allem die Vertragsdauer. Ein Fünfjahresvertrag für de Hadeln würde den Verjüngungsbemühungen entgegenstehen. Hinter den Kulissen schwelt aber auch weiterhin ein Streit zwischen dem Forum und dem Berlinale-Wettbewerb.
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