Mit der Parteienwirtschaft auf Du und Du: Bürgerschaft spart nicht an sich
■ Grüne: Verfassungsreform wird auf Eis gelegt, weil CDU und SPD ihre Pfründe nicht gefährden wollen
Es war einmal ein CDU-Wahlprogramm 1991, so der grüne Bürgerschaftsabgeordnete und Vize-Parlamentspräsident Hermann Kuhn fast wehmütig, da standen hehre Ziele drin: Verkleinerung der Bürgerschaft, Umwandlung der Deputationen in ordentliche Parlamentsausschüsse. Noch in der Debatte um die Verfassungsreform 1994 stand die CDU zu ihrem Programm, heute aber nicht mehr: Von der Verkleinerung der Bürgerschaft, mit der die Parlamentarier „ihre Glaubwürdigkeit“in Sachen Sparpolitik beweisen könnten, hat sich die CDU in dem Ausschuß Verfassungsreform verabschiedet, beschwert sich Kuhn.
Bei dem anderen Punkt geht es um die Stärkung des Parlaments gegenüber der Exekutive: Während in ordentlichen Landesparlamenten die Abgeordneten die Ausschüsse als Arbeitsgremien haben, regiert im Lande Bremen die Exekutive in die Deputationen, die nur unter Senatoren-Vorsitz tagen, kräftig hinein. Von unabhängiger Kontrolle kann keine Rede sein. Hatten die Grünen einmal darauf spekuliert, daß es für die Reform eine breite Mehrheit von Grünen, AfB und CDU gebe, hat sich die CDU nun offenbar mit der SPD darauf verständigt, daß die Verfassungsreform auf Eis gelegt wird.
Einige Millionen könnten gespart werden, rechnen die Grünen, selbst wenn dann die verbleibenden 75 Parlamentarier „fulltime“eingesetzt und bezahlt werden müssen. Denn knapp die Hälfte von ihnen bekommen jetzt schon volles Geld. Die nämlich, die aus dem öffentlichen Dienst stammen und neben den Diäten die Hälfte ihrer früheren Bezüge zusätzlich bekommen.
Bei den Deputationen hat Bremen eine besonders großzügige Regelung: Nicht-Parlamentarier bekommen 769 Mark im Monat und pro Sitzung sowohl 30 Mark Sitzungsgeld sowie pro angefangener Stunde 30 Mark Verdienstausfall bezahlt. Insgesamt sind das 800.000 Mark im Jahr an steuerfreien Nebenverdiensten. Aber es gibt harte Gründe, sagt der grüne Fraktionsgeschäftsführer Reiner Oellerich, warum die Parteien gegen die Abschaffung des „Deputiertenunwesens“sind: Mit den Deputations-Posten können die Parteien verdiente Parteimitglieder, die sonst nicht berücksichtigt werden konnten, bedienen. Zudem müssen die Deputierten ca. 150 Mark im Monat an die Parteikassen abführen, macht bei CDU und SPD jeweils die schöne Summe ca. 60.000 Mark im Jahr.
Dr. Frank Lutz, CDU-Vertreter und Vorsitzender des Verfassungsausschusses, bestätigte gegenüber der taz, daß es mit der CDU keine Verkleinerung der Bürgerschaft geben werde. Grund, so Lutz, sei aber die ungeklärte Rechtslage: Für Bremerhaven muß bei der Landtagswahl die 5-Prozent-Klausel gewährleistet sein. Das ist bei weniger als 20 Bremerhavener Abgeordneten aber nur durch das umstrittene Konstrukt von Überhangmandaten denkbar.
Eine formelle Entscheidung gegen die Einführung von ordentlichen Parlamentsausschüssen gebe es nicht, sagt Lutz, nur sei das bisher „noch nicht vorgesehen“in seiner Partei – abgesehen von dem Rechtsausschuß und Finanz- und Haushaltsausschuß, die aus zwingenden verfassungsrechtlichen Gründen die alten Deputationen ablösen müssen. K.W.
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