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Rettung im Kupferpanzer

■ Eine romantische Vorstellung: Luc Bessons "Das fünfte Element" ist ein Science-fiction-Märchen aus 1001 Zitat in scheußlichen Gaultier-Kostümen

Bruce Willis sieht mit seinen spärlichen, aber strohblond gefärbten Haaren aus wie der stumme Killer in „Fargo“ von den Cohen-Brüdern. Milla Jovovic flickflackt sich durch die Szenen wie ihr Vorbild Darryl Hannah durch „Blade Runner“ und wirkt in ihrer wortkargen Traurigkeit doch mehr, als hätte man sie aus einem japanischen Manga reanimiert. Gary Oldman trägt einen schmalzigen New- Wave-Scheitel zum Hitlerbärtchen unter dem Kinn, die gnubbelnasigen Mangalores könnten einer „Star Trek“-Folge entborgt sein, und überhaupt stammen die Kostümierungen allesamt von Jean- Paul Gaultier, der recht hübsche Bustiers, gepolsterte Kampfanzüge und tolle Hochfrisuren abgeliefert hat.

Luc Bessons „Das fünfte Element“ lebt von der Addition solcher Klischees. Jedes Detail, jede Kameraeinstellung und jede noch so beziehungsreich montierte Computerspielerei erinnert an etwas anderes, das einem schon mal im Kino begegnet ist – bei „Batman“ vielleicht, ganz bestimmt in „Star Wars“ oder selbst bei Tarkowskijs „Solaris“. Und so schaut man melancholisch in die Ferne, trifft dort auf bekannte Bilder fremder Galaxien oder wundert sich über die flossenförmige Garderobe der ganz in Blau daherschwebenden Operndiva Plavalaguna, deren kolbenartig verwachsener Hinterkopf wiederum bei „Alien“ abgeschaut wurde. Danach kommt erst einmal ein tiefer Seufzer der Kritik: Ist dies großangelegte Spektakel wirklich die zig Millionen Dollar Kosten wert, mit denen die französische Produktion zum bislang teuersten europäischen Film avanciert ist? Soll man den Sci-fi-Trash nicht lieber Hollywood überlassen?

Zumindest waren die Gefühle beim Feuilleton gemischt, als der Film zur Eröffnung des Festivals in Cannes lief (selbst Keanu Reeves beklagte sich in The Face über zuviel Gaultier-Kitsch). Aber was sind schon ein paar Budgetrechnungen, Kulturwerte und ähnlich griesgrämige Volten, wenn man in der Weite des Weltraums über Spaceships oder Aliens staunt – endlich hat die Globalisierung auch den europäischen Film erreicht (und dann noch den französischen). Weil sich das Phantastische ohnehin nicht an der Vernunft zu orientieren hat, muß man auch bei Besson nicht nach Gründen dafür zu suchen, daß „Das fünfte Element“ einfach ein sehr zärtliches Märchen aus 1001 Zitat darstellt.

Die Wahrheit existiert nur dort draußen

Ohnehin baut das Fantasy-Genre auf den Reiz der Effekte und vertraut ansonsten dem Sci-fi-Mythos, der verspricht, daß die Wahrheit nur dort draußen existiert. Eine schöne, eine romantische Vorstellung. Es geht um die Rettung der Welt: Alle 5.000 Jahre hat das Böse die Möglichkeit, durch eine Pforte zwischen den Dimensionen zu uns zu gelangen. Der Komplott wird also in der Vergangenheit angesiedelt, 1913 kommen ein paar freundliche Mondoshawans in dekorativen Kupferpanzern nach Ägypten, um die Menschlinge vor der schrecklichen Macht zu warnen. Wenn es Ärger gibt, soll man vier magische Steine zusammenlegen, die die fremden Wesen bis dahin hüten werden, und ein fünftes Element wird dann den Feind besiegen. Da aber nur ein verwirrter Priester dem Grummeln der Extraterraner zuhört, hat man 2259 den Schlamassel – ein glühender Komet nähert sich der Erde, um sie zu zerstören.

Ein bißchen Handschuh überlebt

Die kupfernen Helferlein werden bei ihrem Versuch, Kontakt mit der New Yorker Zentralregierung aufzunehmen, in ihrem Raumschiff abgeschossen, nur ein bißchen Handschuh überlebt. Als man es mühsam im Labor klont, verwandelt sich das Gewebe in Leeloo, eine von Milla Jovovic schlaksig gemodelte junge Frau, für deren flotte Figur sich der taxifahrende Korben Dallas (Bruce Willis) schon beim ersten Treffen schwer begeistert, als sie ihm kurzerhand durch das Autodach auf den Rücksitz stürzt.

Gemeinsam flieht man vor der Polizei, es kommt zu verwirrend simulierten Schluchtenfahrten im Animationstunnel und einer Rangelei im Kühlschrank. Schon hängen Love-Story und Weltuntergang vortrefflichst zusammen, weil Dallas seine Leeloo auf einen Freizeitkreuzer im All begleiten soll, wo die Opernsängerin mit den vier Steinen wartet. Rastlos filmt die Kamera dem Geschehen hinterher, immer begleitet von einem tuntigen TV-Moderator im Leopardendress, der die interplanetarische Kreuzfahrt mit Little-Richard-Gebrüll begleitet, als wäre er auf einer MTV-Party. Kein Zweifel, die Franzosen haben Popkultur zwar nicht erfunden, aber doch bestens verstanden.

Irgendwann vereinigt sich der Überfluß an Verweisen, Finessen und Camp-Attitüden zu einer musicalartigen Choreographie, die sich geschickt in einer Massenschießerei auflöst. Dabei wird natürlich die Erde gerettet, und zum Finale darf Willis mit der Jovovic im Rebirthing-Tank knutschen.

Daß Besson sich für seine Verfilmung am Lesetempo zeitgenössischer Comics orientiert, dürfte in Frankreich bei der riesigen Fangemeinde von Moebius, Drouet und „Dragonball“ keine Probleme bereiten. Überhaupt ist „alles, was man aus anderen Actionfilmen kennt, hier noch fünfmal größer“. Vermutlich hat Besson mit dieser charmanten Großspurigkeit sogar recht – immerhin geht „Das fünfte Element“ auf eine Romanidee zurück, die der Regisseur als Teenager hatte. Das war vor 21 Jahren, und nur das Budget hat sich seither geändert: Ursprünglich sollte der Film 145 Millionen Dollar kosten. In Hollywood hätte Besson für diese enorme Summe sogar Schwarzenegger oder den halben Jurassic Park in die Luft jagen können. So aber sind es außerirdische Gnubbelnasen in Gaultier-Kostümen. Harald Fricke

„Das fünfte Element“. Regie: Luc Besson. Mit Bruce Willis, Milla Jovovic. Frankreich 1996, 126 Min.

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