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Was nützen große Worte?

■ betr.: „Kohl sitzt aus“ „Krenz sitzt ein“, taz vom 26.8. 97

Der Politbüroprozeß ist beendet: Krenz, Schabowski und Kleiber wurden verurteilt. Für die Hinterbliebenen der Mauertoten mag es eine Art der Befriedigung oder Genugtuung sein, daß die Rechtsprechung im vereinten Deutschland nicht nur die „Kleinen“ bestraft, sondern auch die „Großen“ nicht laufen läßt.

Doch was nützen die großen Worte unserer Politiker über den angeblichen „Sieg des Rechts“, wenn man doch weiß, daß seinerzeit so einflußreiche Leute wie Schalck-Golodkowski und Franz- Josef Strauße ihre eigenen persönlichen wirtschaftlichen Interessen mit und am geteilten Deutschland verfolgen konnten. Und an den Freikäufen von politischen Häftlingen in der DDR haben viele partizipiert, sowohl finanziell als auch politisch mit einer entsprechenden Karriere. [...]

Mir persönlich wäre eigentich auch lieber gewesen, wenn nicht die deutsche Gerichtsbarkeit sich mit dem Politbüro-Prozeß beschäftigt hätte, sondern der Europäische Gerichtshof. Außerdem werden heutzutage immer und immer wieder die Maueropfer an der innerdeutschen Grenze beklagt, doch niemand redet über die zahlenmäßig viel höher liegende Selbstsmordrate von Bürgern aus den neuen Bundesländern, die ein Opfer der Wende wurden. Wer übernimmt eigentlich hierfür die moralische Verantwortung? [...] Thomas Henschke, Berlin

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