: Rein in den Schrank, raus aus dem Schrank
■ Die Tänzerin Gitta Barthel will mit ihrer Performance Starcks Design-Ausstellungen durcheinanderbringen
Eine Ausstellungsbesichtigung läuft in der Regel so: Eintrittskarte kaufen, mit unzähligen Menschen vor Exponaten drängeln, zur Halbzeit Kaffee trinken, weiterdrängeln, sich zum Verkaufstisch schleppen, Kataloge und Postkarten kaufen – und auf Wiedersehen. All das kann, wer möchte, heute wie an jedem anderen Öffnungstag auch, ein jeder im Focke-Museum tun. Wer sich jedoch einer Ausstellung einmal auf andere Weise nähern möchte, der hat auch heute, ebenfalls in besagtem Museum, dazu eine einmalige Gelegenheit. Gitta Barthel, freischaffende Tänzerin, Choreographin und Pädagogin veranstaltet einen tänzerischen Rundgang durch die seit Juni zu sehende Ausstellung „Philippe-Starck. Design mit Zukunft.“
In einer halbstündigen Solo-Performance möchte die Bremerin einen ungewöhnlichen Dialog mit den ausgestellten Objekten eröffnen. Den MuseumsbesucherInnen, die der 39jährigen durch die Ausstellungsräume folgen, soll derart einen Zugang zum Werk Starcks ermöglicht werden, der jenseits der konventionellen Bahnen einer klassischen Ausstellungsbegehung liegt.
Starcks Ausstellungskonzept scheint auf den ersten Blick für eine derartige Annäherung denkbar ungeeignet. Alle Objekte sind verborgen hinter Schranktüren, entziehen sich auf diese Weise bewußt dem unmittelbaren Zugriff des Betrachtenden. Die so evozierte hermetische Ausstellungsarchitektur ist folglich alles andere als kommunikativ. Gerade in dieser Vorgabe sieht Barthel jedoch die besondere Herausforderung für ihre Performance.
„Die Ausstellung ist sperrig, also muß ich den Dialog mit den verborgenen und leblosen Gegenständen erzwingen.“Der bewegliche Körper der Künstlerin und Starcks versteckte Designobjekte lassen, so Barthel, eine spannungsreiche Situation entstehen, die die Diskrepanz zwischen Mensch und Gegenstand zum Thema hat.
Unter Zuhilfenahme von Lichtkörpern will die Tänzerin eine Atmosphäre schaffen, die dem Zuschauer einen sinnlicheren Zugang zu der Starck-Präsentation ermöglichen soll. Indem Gitta Barthel die Gegenstände aus ihren angestammten Positionen entfernt und sie in ihren tänzerischen Rundgang integriert, möchte sie zudem die konzeptionell starke räumliche Aufgliederung von Innen und Außen, von BesucherInnenraum und davon deutlich getrenntem Objektraum aufheben. Die dadurch intendierte Verschmelzung von Design, Architektur und darstellender Kunst vermittelt Eindrücke, die jenseits der klassischen räumlichen und inhaltlichen Trennung dieser Sparten liegt und gerade deshalb neue Erfahrungswelten erschließen kann.
Gitta Barthel hat vergleichbare Aktionen bereits während ihres sechsjährigen Parisaufenthaltes durchgeführt. In Bremen ist sie in der freien Theaterszene aktiv und als Begründerin der Tanzcompagnie „Les Passageurs“bekannt geworden, die beim Bremer Tanzherbst im November ihr neuestes Stück „Bal Musette“aufführen wird. zott
Gitta Barthels „Tanz-Performance mit Design-Objekten“ist heute abend um 19 Uhr in den Räumen des Focke-Museums zu sehen
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