: „Ich könnte Dein Haus besprühen“
■ Jugendliche Sprayer diskutierten mit Senator Borttscheller über Graffiti
Graffiti ist Kunst. Darauf konnten sich Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) und fünf jugendliche Sprayer gestern Nachmittag in der Unteren Rathaushalle schon nach wenigen Minuten einigen. Kurz darauf verhärteten sich die Fronten zwischen den Kontrahenten, die der Bremer Jugendring zur Diskussion über den Sinn und Unsinn von Grafitti-Sprayereien aufs Podium gebeten hatte. „Ich bin so voll gefrustet, ich könnte jetzt Dein Haus besprühen, von oben bis unten, von links nach rechts“, drohte Sprayer Michael dem Innensenator, stand auf und verließ mit hochrotem Kopf die Untere Rathaushalle. „Wenn ich Sie erwischen würde, würden Sie auch ziemlich bunt aussehen“, rief Borttscheller dem Sprayer hinterher.
Die Stadt solle Wände für Graffiti anmieten oder freigeben, hatten die jungen Sprayer kurz zuvor gefordert. „Ich werde den Ball an Frau Kahrs und Frau Wischer weitergeben“, sagte Borttscheller. Jugendpolitik sei schließlich Aufgabe des Bildungs- und des Sozialressorts. Und auch der Jugendring fände eine „schöne Aufgabe“darin, solche Wände zu organisieren. Gegen legale Grafitti habe er nichts, betonte der Senator. Die Jugendlichen müßten allerdings lernen, „was mein und dein“ist. Ansonsten müßten sie auch die Folgen tragen. Schließlich sei Sachbeschädigung eine Straftat.
„Wenn die Machthaber, die alle 30 Jahre älter sind als wir, uns keinen Platz einräumen wollen, sind wir halt gezwungen uns den Platz zu nehmen“, entgegnete ein Jugendlicher. „Der Frisör, dem sie zum dritten Mal das Haus vollgejaucht haben, freut sich bestimmt nicht“, warf ein älterer Herr ein. „Ich freu' mich ja auch nicht darüber, daß das Haus da steht“, kam die Antwort aus dem Publikum. „Ich störe mich fürchterlich an den Schmierereien, ganz Bremen ist für mich eine Kloake“, jammerte Volker Nixdorf von der Polizei-Sondertruppe gegen Grafitti. „Sie können doch nicht alles in einen Hut werfen“, empörte sich ein Jugendlicher. „Wir haben nichts, keine Jugendhäuser, keine Wände. Wir können nicht mal ordentlich zur Schule gehen. Tut endlich was für uns“, forderte ein Jugendlicher unter dem Applaus seiner Altersgenossen. Volker Nixdorf versuchte zu vermitteln: „Sagen Sie uns doch, welche Wand Sie wollen. Vielleicht können wir was für Sie tun.“„Ihre Adresse hätte ich gerne“, kam prompt die Antwort. Nixdorf trocken: „Meine Adresse können Sie gerne haben.“ kes
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