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Fugmann-Heesing allein zu Haus

■ Auf einem Hearing über die Zukunft der Wohnungsbaugesellschaften herrschte ungewohnte Eintracht zwischen Bündnisgrünen und Vertretern der Gesellschaften

„Jetzt geht es ans Eingemachte“, kommentiert Ida Schillen, baupolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, die Wohnungspolitik des Senats. Was Schillen ratlos bis wütend macht, ist die Ankündigung der Finanzsenatorin, die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zur Haushaltsdeckung in die Pflicht zu nehmen.

6,08 Milliarden Mark will die Landesregierung im kommenden Jahr durch Vermögensverkäufe erzielen, allein 4 Milliarden Mark davon sollen durch den Verkauf von Wohnungen und Wohnungsbaugesellschaften eingenommen werden. „Gleichzeitig“, schimpft die grüne Baupolitikerin, „fördert der Senat den Bau von Eigenheimen und teuren Mietswohnungen.“ Schillens Fazit: Man solle nicht große Bauträger wie Groth und Graalfs durch Eigenheimprogramme subventionieren, sondern die öffentlichen Gelder gezielt in den vorhandenen Wohnungsbestand fließen lassen.

Einig weiß sich Schillen mit dieser Forderung mit den Vertretern der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Zu einem Hearing der grünen Fraktion zum Thema „Zukunft der Wohnungsbaugesellschaften – nur noch als zu verschacherndes Tafelsilber?“ waren die Gesellschaftsbosse am Montag gleich im Dutzend erschienen. Ganz offensichtlich von der „Mieterpartei“ SPD im Stich gelassen, suchten die Vertreter der Degewo, der Stadt und Land, der Wohnungsbaugesellschaft Lichtenberg und viele andere die politische Nähe zu den Bündnisgrünen. Der Geschäftsführer der Stadt und Land, Günter Adam, brachte die ungewohnte Eintracht auf den Punkt: „Wir können die wohnungspolitischen Forderungen der Grünen unterstützen.“

In einem 14-Punkte-Papier hatte die grüne Fraktion, die zuvor bei ihrer Klausurtagung in Wörlitz das Thema Wohnungsverkäufe „äußerst kontrovers“ (Schillen) diskutiert hatte, den Verkauf ganzer Wohnungsbaugesellschaften als „sozialpolitisch, wohnungspolitisch und haushaltspolitisch falsch und kurzsichtig“ kritisiert. Durch die geplanten Verkäufe würde der Handlungsspielraum zur Versorgung benachteiligter Wohnungssuchender erheblich eingeschränkt werden. Für die Bündnisgrünen sind die Kürzungen vor dem Hintergrund der Folgekosten deshalb eine Milchmädchenrechnung. Bereits heute zahlten die Sozialämter 550 Millionen Mark jährlich an Mietübernahmen, dazu kämen noch einmal 65,3 Millionen für die gewerbliche Unterbringung von Obdachlosen.

Ludwig Burkardt sieht das ähnlich. „Wenn das untere Drittel der Gesellschaft immer breiter wird“, sagte das Vorstandsmitglied des Verbandes Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmer (BBU), „dann braucht das Land Berlin den Bestand an kommunalen Wohnungen um so dringender.“ Burkardt bemängelte zudem mangelnde Transparenz und Öffentlichkeit über die wohnungspolitischen Entscheidungen des Senats. „Da trifft der Bausenator die Finanzsenatorin, da fallen dann die Entscheidungen, aber warum das Land kommunale Wohnungen braucht, darüber diskutiert keiner.“

Mit einer angedachten Erhöhung der derzeitigen Privatisierungsquote von 15 auf 30 Prozent des Bestandes der Westberliner Gesellschaften, das weiß auch Ludwig Burkardt, sind 4 Milliarden Mark an Erlös nicht zu erbringen, zumal sich das Interesse der Mieter am Kauf ihrer Wohnungen nach wie vor in Grenzen hält. Der Lobbyist, der in Berlin und Brandenburg neben den städtischen Gesellschaften auch zahlreiche Genossenschaften und auch andere ehemals gemeinnützige Unternehmen vertritt, fürchtet deshalb, daß neben der Gehag und dem angedachten Börsengang der Degewo auch weitere Gesellschaften an institutionelle Anleger wie Banken und Versicherungen verkauft werden sollen.

Ob ein solcher Ausverkauf überhaupt realistisch ist, blieb auf dem grünen Hearing freilich offen. Immerhin, so erinnerte ein Teilnehmer, gebe es Wohnungsbestände, die extrem verschuldet seien und kaum verkäuflich wären. Auch die grüne Baupolitikerin Schillen warnt davor, daß am Ende die preiswerten, nichtverschuldeten Bestände verkauft würden und das Land auf den teuren, verschuldeten Wohnungen sitzenbliebe. Schillen: „Man kann gar nicht so viele Sozialwohnungen neu bauen, wie da nun verkauft werden sollen.“ Gleichwohl wollte in der Runde keiner so recht glauben, daß das grüne Leitbild der Bestandsförderung politisch durchsetzbar ist. Ganz pragmatisch versuchte BBU-Vorständler Ludwig Burkardt deshalb Grenzen zu ziehen. „Wenn schon Privatisierung“, sagte er, „dann nur so weit, daß der wohnungspolitische Einfluß des Landes erhalten bleibt.“ Uwe Rada

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