: Nicht jeder stirbt für sich allein
■ Die Trauer um Mutter Teresa dringt nur langsam vor. Am Freitag starb die Ordensfrau als Lady Dianas Freundin. Erst gestern setzte die Welt der Nachrichten der toten Friedensnobelpreisträgerin ein eigenes Denkmal
„In einer kalten Welt und anonymen Welt brauchen wir solche Vorbilder der Nächstenliebe und Opferbereitschaft.“ (Roman Herzogs Kondolenztelegramm)
Berlin (taz) – Sie hat sich keinen guten Tag zum Sterben ausgesucht. 2,5 Milliarden Menschen machten sich gerade bereit, einer englischen Märchenprinzessin die letzte Ehre zu erweisen, als Mutter Teresa am vergangenen Freitag im Alter von 87 Jahren in Kalkutta starb. Die ganze Welt, so wollten es uns die Medien glauben machen, trauerte in diesen Tagen um Diana. Wie gut für die emsigen Nachrichtenvermittler, daß sich rasch ein Video fand, das die Nobelpreisträgerin, den „Engel der Sterbenden“, zusammen mit der verstorbenen „Königin der Herzen“ zeigte. Die beiden Frauen sollen gut befreundet gewesen sein. Die Prinzessin hatte den Engel in Rom besucht, und erst vor einem halben Jahr trafen sich die beiden erneut in New York. Die von dort übermittelten Bilder von der armen kleinen Nonne und der großen reichen Adligen waren gestochen scharf. So ließen sich zwei Todesnachrichten immerhin zu Top-News verarbeiten.
Müßig, danach zu fragen, wieso Diana Teresa den Rang abläuft. Jung gegen alt, arm gegen reich – vor allem aber: himmelschreiendes Unglück gegen bescheidenes Glück. So lauten die Gegensatzpaare. Natürlich schaut sich die kalte Welt der Märchenprinzessin besser an als das heiße Sterbehaus von Kalkutta. Viel mehr noch fallen aber wohl die fatalen Ähnlichkeiten ins Gewicht: die Sorge um die Armen, die Reinheit des Herzens und die Fähigkeit zu medienwirksamen Auftritten.
Jetzt, wo die Prinzessin ihre letzte Ruhe gefunden hat, besinnt sich die Welt wieder ihrer toten Mutter. Die üblichen Statements der Trauerarbeit sind längst eingeholt. Sie hätten wohl auch auf Diana gepaßt: Premierminister Tony Blair würdigte das aufopfernde Leben der „Dienerin“; US-Präsident Clinton adelte Mutter Teresa als „unglaubliche Persönlichkeit“, und Staatspräsident Chirac erinnerte an ihre Botschaft „Helfen, Zuhören, Solidarität“. Bei Boris Jelzin hieß es „Güte, Mitleid, Selbstlosigkeit und Glauben“.
Anders als die Queen beschloß Indiens Regierung gestern, vom Protokoll abzuweichen und ein Staatsbegräbnis für Samstag vorzubereiten. Die zunächst für Mittwoch angesetzte Beerdigung mußte verlegt werden, damit Hunderttausende noch einmal zu der Aufgebahrten pilgern können, um von dem „Engel der Sterbenden“ Abschied zu nehmen. Auf den ersten Blick scheinen sich die Bilder hier wie dort zu gleichen. Dann aber stellt sich einfach nur heraus, daß die Welt insgesamt doch größer ist. Größer jedenfalls als die Blumenmeere, die am Vortag in 187 Länder der Welt übertragen wurden. Klaudia Brunst
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen