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Die Rückkehr des Somoza-Clans

■ In Nicaragua will die Familie des 1979 gestürzten Diktators ihre Besitztümer gerichtlich zurückerstreiten

San Salvador (taz) – Eine Woche lang von Barrikaden blockierte Überlandstraßen im April, tagelange Straßenschlachten in Managua Anfang Juli und ein Busfahrerstreik Ende August – es sieht so aus, als wäre das alles nur ein Vorspiel gewesen. In den ersten acht Monaten seiner Regierungszeit ist Nicaraguas rechter Präsident Arnoldo Alemán nur von der Basis der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) direkt angegangen worden – jetzt wird die Front breiter. Selbst gemäßigte Politiker wie Sergio Ramírez, der 1995 die FSLN verließ und erfolglos den Aufbau einer sozialdemokratischen Partei versuchte, sieht jetzt „Demokratie und Frieden in Gefahr“.

Der Grund liegt in der Rückkehr der Vergangenheit. Liliam Somoza, Tochter des 1952 ermordeten Dikators Anastasio Somoza Garcia, hat bei einer ganzen Reihe von Provinzgerichten Eigentumsklagen eingereicht. Sie versucht, die 1979 nach dem Sturz der Diktatur enteigneten Besitztümer des Clans zurückzuerhalten. Dem Vernehmen nach verlangt die in den USA wohnende Liliam Somoza rund fünfzig Liegenschaften zurück. Ihr Anwalt Raúl Barrios nannte ein paar davon: das größte Zementwerk des Landes (derzeit in Staatsbesitz); das Gelände, auf dem die neue Kathedrale der Hauptstadt gebaut wurde; die Hälfte der Aktien des Nobeltourismuskomplexes Montelimar.

Anwalt Barrios fühlt sich juristisch sicher. Die Dekrete 3 und 38 der Revolutionsjunta zum Nationalen Wiederaufbau von 1979 verbieten zwar die Entschädigung des Somoza-Clans und erst recht die Rückgabe konfiszierter Güter. Beide Dekrete aber, argumentiert Barrios, „sind in dem Augenblick ungültig geworden, in dem die Regierung 1980 die Interamerikanische Menschenrechtskonvention unterschrieb“. Danach nämlich seien Konfiszierungen ausdrücklich untersagt.

Für Präsident Alemán kommt der Vorstoß des Somoza-Clans denkbar ungelegen. Er bemüht sich gerade darum, die Konfrontation mit den Sandinisten zu entschärfen. Ende August hatte das Parlament ein Gesetz verabschiedet, nach dem Räumungen ehemals beschlagnahmter Güter erst einmal für 150 Tage ausgesetzt werden. Die sandinistische Fraktion enthielt sich der Stimme. FSLN-Generalsekretär Daniel Ortega kündigte vergangene Woche überraschend ein weiteres Entgegenkommen Alemáns an. Man habe sich darauf geeinigt, den an arme Familien übertragenen Besitz rechtlich zu garantieren. Die Eigentumsfrage jedoch sei damit nur zur Hälfte gelöst. Bleibe das Problem Somoza. Und da weicht Alemán keinen Zentimeter zurück: „Konfiszierungen sind eine Schande. Man kann nicht jemand einfach auf Grund eines Dekrets sein Eigentum wegnehmen.“

Der Konflikt ist programmiert, und der Somoza-Clan schürt ihn nach Kräften mit. Eine Gruppe von bewaffneten Somozisten hat schon einmal vorsorglich eine Finca im Südwesten von Managua besetzt. Die Polizei räumte die Besetzer am Wochenende ab. Aber noch ein paar Aktionen wie diese, und das Pulverfaß kann explodieren. Ortega hat schon mehrfach angekündigt, die Sandinisten seien durchaus bereit, „das Volk wieder mit der Waffe in der Hand zu verteidigen“. Toni Keppeler

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