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Der Rest ist Schleim

■ Barry Sonnenfelds "Men in Black" behandelt ein oft verdrängtes Thema: Wie geht die US-Außerirdischen-Behörde mit seinen Mitbürgern from outer space um?

Sie sind Schleim in Menschengewand. Aliens. Manche von ihnen krabbeln unscheinbar als Bullterrier auf dem Boden herum, andere haben blasse Tentakelarme, die sie in luftigen Trainingsanzügen verbergen, oder sie tragen einen künstlichen Tarnkopf Marke Mister Bean, mit dessen Segelohren sie Botschaften ins All senden können. Für die Extraterrestrials aus der Politik hat man Cyborgs entworfen, in deren Körpern sich die winzigen Fremdlinge einnisten können. Sie alle werden von einem Team aus Spezialagenten beschützt und überwacht, das im Rang höher steht als Army, Navy, CIA, FBI und die New Yorker Stadtreinigung zusammen. Es sind die MIB, Men in Black.

Barry Sonnenfelds Science-fiction-Klamauk paßt nur ein bißchen zu den Außerirdischen-Filmen, die derzeit massenweise gedreht werden. Statt mysteriös herumschlockender Wesen mit telepathischen oder ähnlich dunklen Psychokräften zeigt er alltägliche Aliens hier auf Erden: kettenrauchende Schnecken machen Küchenjobs, seltsame Schrumpffiguren handeln mit Waffen von fernen Planeten oder bauen an einer Milchstraße von Houston nach Kansas City. Wie im richtigen Leben gibt es fremde Arten, die eine Familie gründen wollen, und auch solche, die nach der Weltherrschaft streben. Tatsächlich sind allein in Manhattan 15.000 Mitbürger from outer space unterwegs, von denen die Bevölkerung nichts weiß und mit denen sich die MIBs abplagen müssen. Meist geht es dabei um recht profane Dinge, man prüft Aufenthaltsgenehmigungen. Dann werden schon am Anfang grüne Männchen von Agent K (Tommy Lee Jones) an der mexikanischen Grenze aus einem Immigrantenbus gefischt und per Torpedokanone wie blauer Kleister über grüne Kakteen zerstäubt.

Erst mit der Ankunft einer Monsterkakerlake droht die Apokalypse: Das Biest will an die Bonsai-Galaxie eines in New York exilierten Monarchen, mit der sich das ganze Universum unterjochen ließe. Doch zunächst ist das Raumschiff der Schabe bei Edgar dem Farmer gelandet, in den das Insekt nach einem kurzen Kampf hineinkriecht. Nur sitzt der Bauernkörper bei seinem neuen Besitzer irgendwie nicht richtig, die Arme hängen schlaff herab, am Hals bilden sich faltige Hautlappen, und die Wirbelsäule ist leicht angeknackst. Die meiste Zeit muß das Böse wie ein Kirmes-Zombie durch die Gegend trotten.

Wortkarg und melancholisch vollzieht der Beamte unterdessen seinen Dienst. Denn im Grunde hat K ein gutes, sogar herzliches Verhältnis zu der ganzen intergalaktischen Gemeinde. Trotzdem fühlt er sich ein wenig einsam, weil er zu normalen Menschen schon längst jeden Kontakt abgebrochen hat. Seine Braut mußte er sitzenlassen, als er zur Alien-Behörde ging. Wer immer ihm seither bei den Aktivitäten als MIB begegnet, bekommt sogleich das Kurzzeitgedächtnis mit einem Spezialgerät abgelöscht – deshalb kennt ihn aber auch keiner mehr.

Amtsmüde sucht sich Herr K einen Nachfolger und findet J (Will Smith). Der junge Streifenpolizist hat gerade einen Außerirdischen quer durch den Central Park gejagt und macht auch sonst einen ziemlich ausgeschlafenen Eindruck. Schnell wird man sich einig, K bekommt endlich einen neuen Kollegen, J erhält dafür einen Satz schwarze Anzüge, Sonnenbrille und den exquisiten Löschstab, dann geht es der feindlichen Kakerlake an den Kragen. Das cool in Schwarz herumtrabende Agenten- Team soll an die Auftritte der Blues-Brothers erinnern, doch neben dem hübsch magenkrank anzusehenden Tommy Lee Jones bleibt der sonst stets flott daherrappende „Fresh Prince“ Will Smith eher steif und farblos. Vielleicht liegt es an seinem schwarzen Anzug, der zum HipHop-Typ ebensowenig paßt wie der Edgar- Look zur Küchenschabe.

Andererseits baut „Men in Black“ als echte Spielberg-Produktion auf eine gut geführte Technik, in der sich Akteure ohnehin wie im Traum bewegen können: Regisseur Sonnenfeld ließ Industrial, Light & Magic an allerlei Visuals herumspielen, das Alien- Make-up kam von Rick Baker, ein Wizard in der Art Ray Harryhausens, der die Masken für Batman, Gremlins, das King-Kong-Remake und selbst Michael Jacksons Thriller-Videoclip gebastelt hat. So sehen einige Szenen aus, als hätte Baker seine Außerirdischen aus „Star Wars“ aufgegabelt.

Sonnenfeld wiederum kennt sich hervorragend mit Geschwindigkeit und Pointen aus (sein letzter Film war immerhin „Get Shorty“). Im Holland-Tunnel hört K gerne Elvis, weil es ihn an den König aller Außerirdischen erinnert, und als Running Gag müssen die beiden Agenten immer wieder zum Gedächtniswegblitzen ins Leichenschauhaus, wo sich bei der mißtrauischen Dr. Weaver (Linda Fiorentino) allmählich die Opfer der Kakerlake sammeln. In 50s-Trash-Manier wird die Ärztin zum Showdown von dem Edgar- artigen Alien entführt. Der Rest ist ein gewaltiger Regen aus Schleim, der sich über das Weltausstellungsgelände in Queens ergießt. Dann hat auch die Schabe ein Ende. Harald Fricke

„Men in Black“. Regie: Barry Sonnenfeld. Mit Will Smith, Tommy Lee Jones u.a.

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