Ein guter Job für eine begeisterte Pfeife

■ Seit 17 Jahren stellt Michael Marahrens in Neustadt Bambusflöten her

In Bremen gibt es keine Termiten. Aber irgend einer muß ihre Arbeit tun. Deshalb gibt es Michael Marahrens. Er löchert, kratzt und sägt. So lange, bis ein Bambusstab hohl ist. Termiten benötigen dafür etwa 20 Jahre, Marahrens 10, manchmal auch 15 Stunden. Was nicht weiter verwundert, denn die haben nicht das gelernt, was der 39jährige kann. Michael Marahrens ist Flötenbauer.

Pinkillo, Quena, Mocena und Zampona – was wie die Aufstellung der peruanischen Fußballnationalmannschaft klingt, läßt in Wirklichkeit Töne erklingen, wenn man in sie hineinbläst. Marahrens Liebe für lateinamerikanische Folklore, der er auch aktiv als Solist oder Ensemblemitglied verbunden ist, ist unverkennbar. Doch seit einigen Jahren kommt er kaum noch dazu, Hirten-, Anden-, Baßblock- oder Panflöten zu bauen. Alle Welt verlangt nach Didgeridoos, jenem langen Bambusrohr, mit dem die australischen Aborigines seit Jahrtausenden Zeremonien feiern und Heilungen vollziehen. Kaum zu glauben, wenn man sich die Töne anhört, die Marahrens dem unförmigen Instrument entlockt. Einmal kräftig Luft geholt – und schon verwandelt sich die Werkstatt in einen Waschsalon, in dem alle Maschinen den Schleudergang eingelegt haben. Aber, wie Marahrens glaubhaft versichert, er habe mittels des meditativ wirkenden Dauertons schon Leute zum Weinen gebracht, „weil Menschen, die dafür empfänglich sind, in ihrem Innersten berührt und bewegt werden.“

Doch die wenigsten finden den Weg an die Sedanstraße, um ihre Innereien in Bewegung zu bringen. Zwar könnten die Preise der Flöten (bis zu 900 DM) so manchem Tränen der Verzweiflung in die Augen treiben. Doch die Sorgfalt bei der Materialauswahl, für die sich Marahrens auch mal während der Ferien in Portugals Unterholz schlägt, und bei der Herstellung rechtfertigt durchaus den Preis. Zudem hat jedeR die Möglichkeit, unter Marahrens' Anleitung jede erdenkliche Flöte selber zu bauen. Das hat zwar keine Auswirkung auf den Preis, erhöht aber in aller Regel den Stolz desjenigen, der aus einem schnöden Stück Bambus in mühevoller Kleinarbeit ein spielbares Blasinstrument geformt hat.

Für diesen Moment arbeitet letztendlich auch Michael Marahrens, seit er als 18jähriger per Zufall die erste Blockflöte fand und aus purer Neugierde in der Folge immer neu den Ehrgeiz entwickelte, Holz zum Klingen zu bringen. Weshalb manche Stäbe klingen, andere, wie Marahrens sagt, „mit schlechter Kindheit“nicht, bleibt ihm auch nach so langer Zeit, in der er mit Säge, Feile und Schmirgelpapier ganze Waldsiedlungen zu Flöten gemacht hat, rätselhaft. „Dem Geheimnis der molekularen Struktur“ist er noch nicht auf die Spur gekommen, so recht interessiert sie ihn aber auch nicht. Wenn Menschen in der Werkstatt Spaß haben, in seinem Flötenunterricht lernen, das Instrument zu spielen, oder wenn sie beim Kauf einer Flöte ein wenig von seiner Begeisterung für die Vielfalt dieses Instruments teilen, dann sind Marahrens Ansprüche befriedigt. „Irgendwie bin ich 'ne Pfeife. Und wenn ich andere ebenfalls zu solchen machen kann und sie sich dabei wohl fühlen, ist das sehr schön.“ zott