Staatliche Armenbekämpfung

■ Sozialhaushalt 1996: Arbeits-Projekte freier Träger gefährdet / Interne Planung pocht auf staatliches Monopol für BSHG-Stellen Von Silke Mertins

„Wenn wir wieder keine Stellen für SozialhilfeempfängerInnen kriegen, ist unser Projekt absolut gefährdet.“ Sabine Vielhaben von der „Jugendhilfe Ottensen“ ist sauer. Schon im letzten Jahr hatte die Geschäftsführerin der freien Beschäftigungsgesellschaft damit gerechnet, daß die Hansestadt ihr Monopol auf „Tariflohn statt Sozialhilfe“ nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) aufgibt und auch die nicht-staatlichen Träger ein Stück aus dem großen Kuchen dieser Stellen abbekommen.

Doch aus der internen Haushaltsplanung der Behörde für Arbeit, Soziales und Gesundheit (BAGS) geht hervor, daß die freien Beschäftigungsträger auch im Jahre 1996 leer ausgehen sollen. In dem sogenannten „Haushaltsveranschlagungsverfahren“ der BAGS, das der taz vorliegt, möchte die Behörde zwar gerne 8,9 Millionen Mark für den nicht-staatlichen zweiten Arbeitsmarkt bereitstellen. Aber vor die Armutsbekämpfung hat die Haushaltsplanung die Finanzbehörde gesetzt.

Die behörden-interne Wunschliste der BAGS flatterte Finanzsenator Ortwin Runde auf den Tisch und wurde einer drastischen Abmagerungskur unterzogen: Von dem Geld für knapp 200 BSHG-Stellen für freie Träger blieben nur 1,2 Millionen übrig – nicht einmal genug, um Arbeit für 20 SozialhilfeempfängerInnen zu finanzieren.

„Offensichtlich will die BAGS das faktische Monopol behalten“, so Andreas Bachmann, sozialpolitischer Sprecher der GAL. Waren die 8,9 Millionen also von Anfang an als Streichangebot für die Finanzbehörde gedacht? „Wenn man es in Hamburg ernst meinen würde mit der Verknüpfung von Beschäftigungspolitik und Armutsbekämpfung, dann müßte man mehr machen als nur einen symbolischen Zugang zu BSHG-Stellen“, so Bachmann. Denn 1,2 Millionen Mark hat es schon in diesem Jahr für freie Träger gegeben, mit der Absicht, die kleckerweise vergebenen Stellen zu einem richtigen Programm auszubauen.

Doch Programme soll es auch künftig nur beim staatlichen Monopol „Hamburger Arbeit und Beschäftigung“ (HAB) und „Hamburg West“ – insgesamt 1600 Stellen – geben. Dabei wäre der dezentrale Ansatz der stadtteilbezogenen Beschäftigungsgesellschaften ideal, um die Armutsbekämpfung in sozialen Brennpunkten – Vorzeigeprojekt des Senats – in die Tat umzusetzen.

„Wir wenden uns an die, die sonst durch alle Maschen fallen“, sagt Sabine Vielhaben von der „Jugendhilfe Ottensen“: Bauwagen-Punks, Drogenabhängige und ausländische Arbeitslose, die keinen Anspruch auf ABM-Stellen haben, weil sie auf dem ersten Arbeitsmarkt noch nie eine Chance hatten. „Unsere Zielgruppe ist raus, wenn wir nur ABM- und keine BSHG-Stellen bekommen.“ Besonders häufig sind Frauen betroffen, für die von der „Jugendhilfe Ottensen“ das Restaurant-Beschäftigungsprojekt „Zum Zinken“ geplant wird; eine allseits hochgelobte Idee, die nun möglicherweise nicht umgesetzt werden kann.

„So ist das, wenn ein ehemaliger Sozialsenator zum Finanzsenator wird – makaber“, stichelt Antje Blumenthal, sozialpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion. „Bei den freien Trägern ist die Anbindung vor Ort viel besser als bei den staatlichen.“ Die CDUlerin erklärt das behördliche Beharren auf dem staatlichen Beschäftigungsmonopol damit, daß man „Genossenplätze“ bewahren wolle. Die Leitungsfunktionen der HAB seien Karriere-Sprungbretter für altgediente Sozis.

Doch selbst in den eigenen Partei- und Regierungsreihen dürfte das Einfrieren der Titel für freie BSHG-Stellen für Unfrieden sorgen. Der SPD-Sozialexperte Uwe Grund ist vom Fortbestehen der staatlichen Alleinherrschaft nicht eben begeistert. Auch Georg Berg, Sozialpolitiker der Statt Partei, will „das Gespräch suchen, um das Schlimmste zu verhindern“ – schließlich steht die Ausweitung der BSHG-Stellen auf freie Träger im SPD-Statt-Kooperationsvertrag.