: Zurück an die Heimatfront
■ Bosnier mit ungewissem Schicksal: Trotz Fahnenflucht droht die Ausweisung aus Hamburg / Letzte Hoffnung ist der Petitionsausschuß Von Sannah Koch
„Warum erschießen sie ihn nicht gleich hier, dann weiß ich wenigstens, wo er liegt“. Ivan Vuksic schüttelt immer wieder fassungslos den Kopf. Die Hamburger Ausländerbehörde hat ihm mitgeteilt, sie beabsichtige, seinen Sohn Denis im Sommer in die Heimat abzuschieben. Die Heimat von Denis heißt jedoch Hamburg, hier wurde er geboren. Sein Paß allerdings weist ihn als Bosnier aus – der Einberufung zum Wehrdienst, die dort auf ihn zukäme, hat sich Dennis durch die Ausreise nach Hamburg entzogen.
Keine Angehörigen, keine Habe, aber ein Bürgerkrieg und das Militär warten in Bosnien auf den 20jährigen. Mit seiner Mutter war Denis für einige Jahre nach Bosnien zurückgekehrt, um den kranken Großvater zu pflegen. Als die Lage sich zuspitzte, hatte der Vater die Familie zurückgeholt; Denis' Visum wurde für die Dauer einer Ausbildung ausgestellt. Und die ist im Juli zu Ende – dann soll er zurück. Dort werden sie seinen Jungen an die Front schicken, als „Kanonenfutter“, das steht für Vater Ivan Vuksic fest.
Die Ausländerbehörde habe Denis als Kroaten eingestuft, klagt Anwalt Rolf Geffken außerdem, und die gelten nicht als Bürgerkriegsflüchtlinge. Doch Denis besitzt einen kroatischen und einen bosnischen Paß, beide weisen die bosnische Stadt Zenica als seinen Herkunftsort aus. „Eine richtige Einzelfallprüfung hat nicht stattgefunden“, kritisiert Geffken. Dasselbe wirft der Anwalt der Hamburger Behörde auch bei zwei weiteren Mandanten aus Ex-Jugoslawien vor.
Dem 24jährigen Aleksa Lukic droht ein ähnliches Los wie Denis. Auch er ist in Hamburg geboren, auch er war nach dem Schulbesuch in Bosnien vor dem Wehrdienst geflohen, auch er soll jetzt nach Ex-Jugoslawien abgeschoben werden, Aleksas Heimatort ist inzwischen serbisch kontrolliert, doch das interessiert die Ausländerbehörde nicht – denn Aleksa hat mittlerweile einen jugoslawischen Paß. Deshalb hat das Hamburger Oberverwaltungsgericht seine Ausweisung angeordnet: Trotz Fahnenflucht bestehe für ihn dort keine „konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit“. Aleksas einzige Hoffnung ist die Hamburger Bürgerschaft – nur der Eingabenausschuß kann jetzt noch verhindern, daß er zum Militärdienst in eine fremde Heimat geschickt wird. Eine Chance mehr hat Denis Vuksic: Behördensprecher Norbert Semkal erklärte gestern, Denis' Fall werde noch einmal geprüft.
Von der Behörde in Ungewißheit gelassen, fühlt sich auch Kuco Cosovic. Der 49jährige ist dort zwar als bosnischer Bürgerkriegsflüchtling registriert, bekommt aber nur kurze Duldungstermine. „Ich wollte eine längere Aufenthaltsbefugnis für ihn bekommen“, so Geffken, „aber die Behörde hat mich nur aufgefordert, die Rechtsmittel zurückzunehmen. „Als Moslem habe ich keine Chance in Serbien“, sagt Kuco Cosovic, „und in Bosnien habe ich kein Zuhause mehr.“ – Drei rat- und hilflose Männer.
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