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Die Abwanderung wird zur Massenbewegung

■ Nach Prognosen des Prognos-Instituts ziehen innerhalb der nächsten zwölf Jahre über 1,2 Millionen BerlinerInnen weg. Damit tauscht sich ein Drittel der Bevölkerung aus

Die Berlinflucht wird zur Massenbewegung. Anfang September wurden die ersten Zahlen einer Studie des Instituts Prognos bekannt, die im November veröffentlicht wird. Demnach zieht es bis zum Jahr 2010 rund 400.000 BerlinerInnen in den Speckgürtel rund um die Stadt.

Das sind fast doppelt so viele Stadtflüchtlinge, als Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) bislang vermutet hatte. In Strieders aktueller Bevölkerungsprognose gehen die Demographen von einer Umlandwanderung in Brandenburger Gefilde von 210.000 Berlinern aus.

Doch die Wanderungsprognose gegenüber dem „engeren Verflechtungsraum“ ist nichts im Vergleich zum Massenexodus in Richtung alte Bundesländer und dem Ausland. Über 1,2 Millionen BerlinerInnen werden innerhalb der kommenden zwölf Jahre die Stadt verlassen, heißt es in der Prognos- Studie. Zusammen mit den Umlandflüchtlingen bedeutete dies, daß die Berliner Bevölkerung bis zum Jahr 2010 zu mehr als einem Drittel ausgetauscht würde.

Während die Umlandwanderungen dabei vor allem Familien mit Kindern betreffen, lägen ansonsten die alten Bundesländer vor allem wegen der besseren Beschäftigungssituation im Vergleich mit Berlin hoch im Kurs. Das gleiche gelte für die 100.000 StudentInnen der Stadt, erklärte Prognos- Bereichsleiter Lothar Mahnke. Diese würden anders als vor dem Fall der Mauer nach dem Abschluß des Studiums seltener in Berlin bleiben.

Die dritte Wanderungsbewegung aus Berlin betrifft die ausländischen Bewohner der Stadt. Die Zahl der Wegzüge in dieser Bevölkerungsgruppe sei höher als in der Vergangenheit. Hier spielten, so Prognos-Mitarbeiter Stahnke, sicher auch Gesetzesveränderungen eine Rolle.

Anders als in der Bevölkerungsprognose der Stadtentwicklungsverwaltung wird der Exodus aus Berlin durch den Zuzug neuer Stadtbewohner nicht ausgeglichen. Im Jahr 2010 würden laut Prognos in Berlin 3,4 Millionen Menschen leben, 100.000 weniger als noch vor zwei Jahren. Neben der Zuwanderung aus dem Ausland, die allerdings abnehme, würden fast eine halbe Million Menschen aus den alten Bundesländern nach Berlin kommen.

Das betreffe, so Projektleiter Lothar Mahnke, vor allem Besserverdienende und Singles. Auf etwa 20.000 Neuberliner rechnet Mahnke außerdem die Regierungsumzügler, in deren Folge noch einmal 30.000 mit den Verbänden und Lobbies in die Bundeshauptstadt kämen.

Für Berlin und seine Bezirke würden Wanderungs- und Binnenwanderungsströme erhebliche soziale und räumliche Folgen nach sich ziehen. So kristallisiert sich laut Prognos-Bericht bereits heute der Bezirk Mitte als bevorzugtes Wohngebiet der Neuberliner heraus.

Insgesamt werde sich die soziale Spaltung in Berlin aber – mehr noch als im Bundesgebiet – verschärfen. Vor allem der Mittelstand falle mehr und mehr weg, sagte Prognos-Mitarbeiter Mahnke. „Aber auch zwischen den einzelnen Stadtquartieren wird der Gegensatz krasser.“

Diese Entwicklung vollziehe sich aber äußerst kleinteilig. So könnten zum Beispiel innerhalb Schönebergs manche Gebiete aufgewertet werden, während andere sich eher negativ entwickelten. Diese Differenzierung, so Lothar Mahnke, verlaufe dabei entlang der heute schon zu beobachtenden Einschätzungen der einzelnen Gebiete.

Negative Auswirkungen habe die steigende Fluktuation auch auf die gewachsenen Sozialstrukturen. „Die, die hier nicht geboren sind oder noch nicht so lange hier wohnen, sind wesentlich leidenschaftsloser gegenüber dem, was sich im Quartier tut“, weiß Mahnke. Gleichzeitig sieht er diese Entwicklung aber auch als Chance. „Verkrustete Strukturen könnten endlich einmal aufgebrochen werden.“

Was die Umlandwanderung betrifft, sieht Mahnke in der Stadtflucht vor allem eine Normalisierung, die man nicht durch den Bau von Eigenheimen am Stadtrand aufhalten könne. „Das Verhältnis von Umland- und Stadtbewohnern“, so Mahnke, „wird sich auf das Niveau anderer Städte einpendeln.“ Gleichwohl verlaufe dieser Trend derzeit schneller als bislang angenommen. Uwe Rada

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