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Heute und morgen finden in Bosnien endlich Kommunalwahlen statt. Zweimal wurden sie verschoben, doch vielleicht hat gerade dies dem Land genutzt. Denn inzwischen konnte eine Reihe nicht nationaler Parteien entstehen. Sie sollen für den Wiederaufbau in die Pflicht genommen werden Aus Sarajevo Erich Rathfelder

Nationalisten auf dem Rückmarsch

Fast war das Aufatmen zu hören. Nachdem die Boykottdrohungen der kroatischen und serbischen Nationalisten vom Tisch sind, können die Kommunalwahlen in Bosnien-Herzegowina wie geplant ablaufen. „Wir hatten einen klaren Standpunkt eingenommen, wir haben uns nicht erpressen lassen, sagt David Foley, der Pressesprecher der OSZE.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ist für die Organisierung der schon zweimal verschobenen Kommunalwahlen zuständig. Wären sie geplatzt, hätten nicht nur 2.700 internationale Wahlbeobachter unverrichteter Dinge nach Hause fahren müssen. Auch die Bedeutung der OSZE hätte weiter abgenommen. Hatte sie nach dem Ende des Ost-West-Konflikts doch gerade in Bosnien eine Aufgabe gefunden.

Auch der größte Teil der Bevölkerung ist zufrieden, daß die Wahlen jetzt stattfinden. Fast zwei Jahre nach Ende des Krieges können die kommunalen Selbstverwaltungsorgane endlich mit neuen Leuten besetzt werden. Bisher waren immer noch die Volksvertreter aus der Vorkriegszeit im Amt.

Dabei haben die internationalen Hilfsorganisationen immer wieder darauf hingewiesen, daß auch die lokalen Politiker in die Pflicht genommen werden müssen. Wer nach den Kommunalwahlen weiterhin das Abkommen von Dayton blockiert – gerade wichtig in der Frage der Rückkehr der Vertriebenen –, kann sanktioniert werden. Anders gesagt: wer den Vertrag einhält, bekommt internationale Finanzhilfe. Wer nicht, geht leer aus.

So wurde ein guter Hebel gefunden: Denn die Aufgaben der bosnischen Gemeinden lassen sich durchaus mit denjenigen deutscher Kommunen und Kreisverwaltungen vergleichen. Es geht um die Regelung von Müllabfuhr und Wasserversorgung, um die Verwaltung von Schulen und die Instandhaltung des Straßennetzes. Für die Wähler wird also sehr schnell sichtbar, wenn der Verwaltung für die Instandhaltung der Infrastruktur das Geld ausgeht.

Andererseits sind diese Kommunalwahlen nur ein kleiner Schritt hin zu einem demokratischen Rechtsstaat. Noch immer ist nicht klar, ob der Friede auch dem Abzug der internationalen SFOR- Truppen im nächsten Jahr standhält. Für den Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft, Carlos Westendorp, wird durch die Kommunalwahlen nun jedoch endlich ein demokratischer Prozeß in Kraft gesetzt.

Dafür spricht tatsächlich einiges: Die nationalistischen Parteien in beiden Teilen Bosniens – in der kroatisch-bosniakischen Föderation und in der Republika Srpska – werden es selbst in ihren Hochburgen schwer haben, ihre Monopolstellungen zu halten. Das liegt zum einen daran, daß eine ganze Reihe ihrer Konkurrenzparteien auf lokaler Ebene größere Chancen als auf nationaler Ebene hat. Zum anderen werden die Vertriebenen mit ihren Stimmen die Zusammensetzung der neuen Gemeinderäte mitbestimmen.

Gerade in den Zentren der ethnischen Säuberungen werden die Extremisten so plötzlich mit ihren Opfern konfrontiert. An den beiden Wahltagen dürfte dies für nicht wenige gefährliche Situationen sorgen. Die internationalen Polizeistreitkräfte (IPTF) werden voll damit beschäftigt sein, für die Sicherheit der Vertriebenen zu sorgen.

Mit dem Machtkampf in der Republika Srpska hat sich zudem ein weiterer Konflikt ergeben, der jedoch für die Zukunft Bosniens durchaus positiv sein könnte. Die serbische Parteienlandschaft hat sich schon bei den Parlamentswahlen 1996 differenziert. Die Partei des Ex-Präsidenten Karadžić, die Serbische Demokratische Partei (SDS), hat deshalb in der größten serbisch kontrollierten Stadt, in Banja Luka, kaum noch Aussichten auf Erfolg. Auch wenn die neugegründete Partei der serbischen Präsidentin Plavšić bei dieser Abstimmung nicht antreten kann.

36 Parteien konkurrieren in der größten serbischen Stadt um die Wählerstimmen, von einem Bündnis „Für Banja Luka“ und mehreren serbischen Parteien reicht der Reigen über die Sozialistische Partei (Milošević-Anhänger) bis hin zur Partei für Bosnien und Herzegowina des ehemaligen bosnischen Ministerpräsidenten Haris Silajdžić. Und auch die kroatische und die muslimische Nationalpartei (HDZ und SDA) kandidieren.

Selbst in der Karadžić-Hochburg Pale machen acht Parteien der SDS Konkurrenz. Mit Sicherheit werden einige muslimische Nationalisten der SDA künftig im Gemeindrat von Pale sitzen.

In der kroatisch-bosniakischen Föderation sind die serbischen Parteien dagegen nicht vertreten. Hier werden die Serben wohl mehrheitlich für die Sozialisten (SDP) stimmen, die auch angesichts der sozialen und wirtschaftlichen Probleme im Aufwind sind. Die muslimische Nationalpartei SDA, die in der Koalition für ein einheitliches und demokratisches Bosnien-Herzegowina zusammen mit der Partei Haris Silajdžić, den Liberalen und der Demokratischen Bürgerpartei antritt, wird es selbst in ihren Hochburgen Sarajevo und Zenica schwer haben, die Mehrheit zu gewinnen. Anders sieht es allein bei den Kroaten aus: Ihre Nationalpartei, die Kroatisch- Demokratische Gemeinschaft (HDZ), hat in den Kroatengebieten der Westherzegowina Aussichten auf absolute Mehrheiten.

Rein national gewählt wird lediglich in jenen Orten, die zwischen den Nationen umstritten sind. So wird in Mostar oder Brčko der Krieg noch lange nicht Vergangenheit sein.

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