piwik no script img

Deutschlandbilder: DDR-„Tau- tropfenliebe“ im carrousel

Tautropfen sind zarte, fragile Gebilde. Mit frischer Schönheit sind sie zur Stelle, den neugeborenen Tag zu begrüßen. Doch kaum kommt dieser ins Krabbelalter, siechen sie schon dahin. Eine Tautropfenliebe ist ein zartes, fragiles Gebilde. Gerade erst lugt sie schüchtern aus ihrem Kokon von vorpubertärer Sprödheit, da kommt schon der rauhe Wind der Realität daher und reißt ihre Zukunft mit sich hinweg. In der Uraufführung von Manuel Schöbels „Tautropfenliebe“ im carrousel Theater an der Parkaue dauert das 40 Minuten, und die Realität hat einen Namen: Sie heißt Ausreise. Während der 13jährige Maik (Arnim Beutel) und die 12jährige Hannah (Johanna-Julia Spitzer) mit emsigem Zöpfeziehen und „Blödmann“-Rufen ihre Zuneigung notdürftig voreinander zu verbergen suchen, sind Hannahs Eltern längst beim Kofferpacken.

Der Westen ruft in Gestalt der pflegebedürftigen Oma und der besseren Jobs. Und Hannah? Sie ist ja noch ein Kind. Denkste! Die drohende Trennung ruft etwas auf den Plan, was sonst noch Zeit gehabt hätte, nun aber behauptet werden muß: Das Pathos der Liebe. „Liebe gibt's nur einmal“, ruft Hannah in einem Anflug von Altklugheit und wirft sich ihrem verdatterten Jüngling in die Arme. Vergebens.

Das Stück, das der jetzige Hausherr des carrousel Theaters bereits 1988 als Hörspiel konzipierte, ist heute mit einem Publikum von 11 bis 13jährigen konfrontiert, für das die Liebe einer nahen, lichten Zukunft, die DDR jedoch einer fernen und dunklen Vergangenheit angehört. Während es dem Regisseur Peter Dehler gelingt, der werdenden Liebe mit sparsamen Mitteln, leisen Tönen und raschen Rhythmen poetische Dichte zu verleihen, wirkt der Versuch, ihren historischen Rahmen greifbar zu machen, eher hilflos. Als Koproduktion mit den Berliner Festwochen, die in diesem Jahr unter dem Motto „Deutschlandbilder – Kunst aus einem geteilten Land“ stehen, will die Inszenierung aber von diesem Rahmen nicht lassen. Er ist dem Liebesstück als eine Art Prolog im Fremdland vorangestellt: Mit roten Pappnasen stolpern die Schauspieler durch ein marodes Klassenzimmer, lesen denkwürdige Texte von „Patenbrigaden“, und zwischen FDJ-Fähnchen, DDR-Karte und Honecker-Bild wird fröhlich gebrabbelt, rüde gebellt und verständnislos gelacht. Ob das „die Neugier auf die Vergangenheit“ weckt, bleibt fraglich. Nicht nur Tautropfen kommen mit vorgedrucktem Verfallsdatum auf die Welt. Sabine Leucht

Noch am 18., 25. und 26.9., 10.30 Uhr sowie am 20.9. um 18 Uhr,

carrousel Theater an der Parkaue (29), Lichtenberg.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen