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Diepgen sucht 7.000 Ausbildungsplätze

■ Sonderkommission des Senats hat nur Appelle zu bieten: „Betriebe, schafft Stellen – Jugendliche, bewerbt euch weiter!“ Nur 21 Prozent der Firmen bilden aus. Arbeitssenatorin: Lage verschärft sich noch

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) bleibt trotz der immer dramatischer werdenden Jugendarbeitslosigkeit in der Stadt bei bloßen Appellen an die Wirtschaft. Angesichts der schwierigen Lage auf dem Lehrstellenmarkt, sagte Diepgen gestern nach einer Sitzung der Sonderkommission „Ausbildungsplatzsituation“, seien zwar „zusätzliche Anstrengungen“ notwendig. Eine sogenannte Ausbildungsplatzabgabe für nichtausbildende Unternehmen komme für ihn aber jetzt nicht in Frage.

„Es werden noch einmal alle Betriebe angesprochen, die nicht ausbilden“, sagte Diepgen. Jeder müsse überprüfen, „ob er nicht doch noch einen zusätzlichen Ausbildungsplatz bereitstellen kann“. Insbesondere an die Adresse der 79 Prozent nichtausbildenden Betriebe in der Stadt sagte er, diese sollten Ausbildungsplätze schaffen. Die Jugendlichen forderte er auf, sich weiter zu bewerben. Rund 7.000 junge Menschen suchen derzeit noch einen Ausbildungsplatz.

Nach Angaben von Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) bildet in Berlin nur noch jedes fünfte Unternehmen aus. Bergmann wiederholte die Forderung der SPD nach einer gesetzlich geregelten Umlagefinanzierung. Danach würden Betriebe, die nicht ausbilden, zur Kasse gebeten. Nach Einschätzung der Arbeitssenatorin könnten Ende des Jahres 2.500 bis 3.000 Jugendliche ohne Lehrstelle dastehen. Trotz erheblicher Anstrengungen des Senats werde sich die Lage im kommenden Jahr weiter verschärfen.

Nach Angaben der Arbeitsverwaltung gab es in diesem Jahr in Berlin 30.057 Bewerber um einen Ausbildungsplatz, rund 1.500 mehr als im Vorjahr. Demgegenüber wurden nur 14.370 Lehrstellen gemeldet, über 1.000 Stellen weniger als im vergangenen Jahr.

Nach Ansicht von Peter Pienky, Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), versagt der Senat bei der Lehrstellenpolitik. „Jedes Jahr haben wir die gleiche Debatte um Ausbildungsplätze, ohne daß wirklich etwas geschieht.“ Die Sonderkommission sei zwar eine gute Einrichtung. Um wirksam Ausbildungsplätze zu schaffen, komme man jedoch an Sanktionen gegenüber nichtausbildenden Betrieben nicht vorbei. „Wir fordern die Ausbildungsumlage“, so Pienky. Die Bevorzugung von Azubi-Betrieben bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und regionale Bündnisse für Arbeit seien ebenso wichtig wie die Bereitschaft der Gewerkschaften, über eine Nichtanhebung des Azubi-Lohns zu verhandeln.

Wichtig ist für Pienky, daß „die jungen Leute auch den Politikern auf die Zehen steigen“. Zudem werde der Berg der Ausbildungsuchenden immer größer: „1995/96 waren 12.000 Jugendliche auf der Suche nach einem Arbeitsplatz bereits ,Altnachfrage‘ aus den Vorjahren. Das sind fast 40 Prozent der gesamten Nachfrage.“ Das Problem werde so nur vertagt, bis es „uns im nächsten Jahr wieder auf die Füße fällt“. rola/bpo

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