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Profihafter Pragmatiker

■ Umsonst und vergeblich blieb vieles bei Bielefelds 2:1 gegen Leverkusen

Bielefeld (taz) – Der Leverkusener Niko Kovac hatte sich bereits frisch gemacht nach dem Arbeitstag in Bielefeld, als die Kollegen hereinkamen. Nach 32 Minuten soll Kovac dem Gegenspieler Reeb einen Nachtritt versetzt haben. Den Vorsatz leugnet er nicht einmal, „aber als ich kurz vor ihm war, hat der Verstand eingesetzt, und ich hab' ihn nicht getroffen“.

Weil allerdings Michael Sternkopf mit zwei gelben Karten innerhalb von einer Minute kurz vor der Pause wieder Parität herstellte, war dies nicht der Grund für die Niederlage. Kovac, der genügend Muße fand, die Unzulänglichkeiten der Kollegen zu studieren, entdeckte den Knackpunkt im Mittelfeld: „Da fordern wir zu wenig den Ball – die hinten wissen deswegen nicht, was sie damit machen sollen, die vorne sind hoffnungslos überfordert.“ Sein Trainer beschränkte sich auf die Wiederholung der bekannten Rhetorik: „Einige unserer Spieler müssen sich fragen, warum sie hier arbeiten und bezahlt werden.“ Ausnehmen mochte er nur Christian Wörns und Ulf Kirsten. In Erinnerung bleiben wird wohl nur die lange Liste der Vergeblichkeiten: Daums Wut war vergeblich, ebenso wie der freitägliche Flug des Bielefelder Managers nach Teheran, weil er ohne seine beiden iranischen Nationalspieler zurückkehrte, die vom Nationaltrainer ihre Pässe nicht bekamen. Vergeblich auch der Besuch des Fernsehteams von Islamic Republic Iran Broadcast, die einen Beitrag über Ali Daei planten.

Der gemeine Fan in Bielefeld scheint eine Vorahnung gehabt zu haben: Zu Ehren des Vizemeister erschien die schlechteste Kulisse der Saison, um anschließend den vom heimischen Coach Ernst Middendorp als „Lieblingskind“ enttarnten, erst während der Woche reintegrierten Uwe Fuchs für sein entscheidendes Abstaubertor zu preisen. Der sieht seine Rückkehr nach Bielefeld, wo ihm kein neuer Vertrag angeboten worden war, profihaft pragmatisch: „Ich hatte keine andere Chance, noch mal in der Bundesliga zu spielen.“ Und auch den trauernden Kovac weiß Fuchs einzuschätzen, seit der Mann theatralisch herniedersank, als Fuchs ihm vergangene Saison in Leverkusen begegnete: „Heute ist er betroffen, damals hat er mir das eingebrockt.“ Jörg Winterfeldt

Leverkusen: Heinen – Lottner – Wörns, Happe (57. Lehnhoff) – Robert Kovac, Nico Kovac, Ramelow, Beinlich (70. Emerson), Heintze – Kirsten, Feldhoff (64. Rink)

Zuschauer: 20.000

Tore: 1:0 Kuntz (12./Foulelfmeter), 1:1 Kirsten (43./Foulelfmeter), 2:1 Fuchs (75.)

Gelb-rote Karte: Sternkopf (45.) wegen wiederholten Foulspiels, Rote Karte: N. Kovac (32.) wegen groben Foulspiels

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