: Kubas grausame Aids-Bilanz
■ Mit Zwangsmaßnahmen soll die Ausbreitung des Aids-Virus verhindert werden
Kuba hat sich mit seinen Menschenrechtsverletzungen die mit Abstand niedrigste Aidsrate auf dem amerikanischen Kontinent erkauft. Auf dem Kongreß „Aids und Sexualität in Kuba“, der vor wenigen Wochen in Havanna stattfand, legten Wissenschaftler ihre Zahlen vor. Zugleich versuchten sie, das Bild von den oft als „Konzentrationslagern“ bezeichneten sogenannten Sanatorien zu beschönigen, in die HIV-Infizierte auf der Zuckerinsel weggesperrt werden.
Glaubt man den in Havanna präsentierten Zahlen, die nach Aussagen des Medizinfachblatts The Lancet von der WHO nicht angezweifelt werden, dann hat Kuba im Vergleich zu den USA eine 31mal niedrigere Infektionsrate. Bei den Neuerkrankungen meldeten die USA im Referenzjahr 1993 offiziell 276 Aidsfälle je Million Einwohner, Puerto Rico hatte 654, Kuba dagegen nur 7. Neuere Zahlen wurden nicht vorgelegt. Möglicherweise hat man ältere Zahlen herangezogen, weil in den USA in den letzten Jahren die Zahl der neuen Aidsfälle durch die Kombinations-Therapien zurückgegangen ist, wodurch der kubanische Vorsprung weniger beeindruckend ausfällt.
Ausländische Ärzte und Wissenschaftler wurden in Bussen vom Kongreßgebäude direkt in die Sanatorien gefahren, in denen die HIV-Infizierten weitgehend isoliert von der Öffentlichkeit leben. Sie sollten ihr Bild von den „Konzentrationslagern“ korrigieren und selbst sehen, wie die Patienten untergebracht sind. Die HIV-Infizierten erhalten dort 3.500 Kalorien täglich und „die bestmögliche Gesundheitsversorgung“.
Mit großem Aufwand wurden die Kongreßteilnehmer außerdem über die in Kuba forcierte Entwicklung eines Impfstoffes gegen den Aids-Virus unterrichtet. Konkrete Details wurden dabei nicht genannt. Viel Lärm um nichts? Die meisten ausländischen Wissenschaftler blieben jedenfalls skeptisch, zumal die Impfstoff-Entwicklung selbst in den reichsten Industrieländern gescheitert ist.
Trotz der niedrigen HIV-Rate hat Kuba den mit schweren Menschenrechtsverletzungen organisierten Abwehrkampf gegen Aids noch lange nicht gewonnen. Der Sex-Tourismus hat in den letzten Jahren stark zugenommen, und Safer Sex ist auf der Insel ein Fremdwort, Kondome werden kaum benutzt. Die Prostitution hat wegen der katastrophalen Wirtschaftslage epidemische Ausmaße erreicht. Selbst Universitätsprofessoren würden sich als Sex-Arbeiter verdingen, um sich ein Zubrot zu verdienen. Ein Beispiel: Der leitende Epidemiologe des kubanischen Public-Health-Programms verdient monatlich ganze 23 Dollar.
Da die Armut eines Landes ein verläßlicher Indikator für die Wucht der HIV-Epidemie ist, zeigte sich auch der Leiter des kubanischen Aids-Programms, Jorge Pérez, beunruhigt. „Ich würde nicht sagen, daß ich entsetzt bin, aber ich bin besorgt“, kommentierte Pérez den Anstieg von Prostitution und Sex-Tourismus. Manfred Kriener
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