Pokalgeschichte wiederholt sich doch

■ Der VfL Wolfsburg verliert gegen Bayern und weckt alte Erinnerungen

Berlin (taz) – Ältere Zuschauerexemplare im Stadion des VfL Wolfsburg werden sich, als Roy Präger im DFB-Pokalspiel gegen Bayern München zwei Minuten vor Schluß den Ausgleich zum 3:3 schoß, an einen Tag vor ziemlich genau zehn Jahren erinnert haben. In der zweiten Pokalrunde führte der Vizemeister Werder Bremen beim VfL in der 89. Minute komfortabel mit 4:1, und Werder-Stürmer Karl-Heinz Riedle begab sich mit einer leichten Verletzung schon mal unter die Dusche, weil Coach Otto Rehhagel der Meinung war, daß es diese eine Minute auch mit zehn Mann gehen würde. Der größte Teil der Zuschauer hatte sich bereits auf den Heimweg gemacht, als plötzlich Erstaunliches geschah: In der mutmaßlich spektakulärsten Aufholjagd der Pokalgeschichte schoß Wolfsburg binnen einer Minute sage und schreibe drei Tore. Werder mußte in die Verlängerung, Riedle wurde eilig aus der Kabine geholt, und die noch in Hörweite befindlichen VfL-Fans strömten, durch infernalisches Gebrüll angelockt, zurück ins Stadion.

Ganz so dramatisch ging es am Dienstag nicht zu, das Ende indes war ungefähr dasselbe wie an jenem Novembertag im Jahre 1987. Damals köpfte Ordenewitz das 5:4 für die Bremer, diesmal behielten die Bayern im Elfmeterschießen die Oberhand. Wieder kein Happy-End für den VfL Wolfsburg, obwohl sich dieser in der Zwischenzeit vom Amateurverein zum Erstligisten gemausert hat.

So spielten die Niedersachsen in der ersten Halbzeit auch. Mit geradezu dreisten Kombinationen stürzten sie die nationalspielergespickte Bayern-Abwehr in fortwährende Verlegenheit und gingen völlig verdient mit 2:0 in Führung. Zuerst verwandelte Reyna einen Handelfmeter (6.), dann köpfte Kovacevic einen Reyna- Eckball in Kahns Kasten. Leider verausgabte er sich beim Jubeln über den geglückten Stirneinsatz so sehr, daß er es nicht mehr rechtzeitig zu seinem Gegenspieler Giovane Elber schaffte, der prompt den Anschlußtreffer erzielte.

In der zweiten Halbzeit nahm die Sache dann ihren, wie es schien, normalen Verlauf. Wolfsburg vermochte sein hohes Niveau nicht durchzuhalten und wurde vor allem bei Flankenbällen unaufmerksam, Bayern zog das Tempo ein wenig an. Das genügte zur Feldüberlegenheit und zu zwei Treffern durch Zickler (76.) und Tarnat (85.). Der VfL schien geschlagen, bis Prägers Reminiszenz an vergangene Zeiten die sinkenden Adrenalinspiegel im Publikum schlagartig Rekordpegelstände erreichen ließ und neue Hoffnungen weckte. In der Verlängerung reichte es dann aber bloß noch zu einem Pfostenkopfball des unermüdlichen Kovacevic, den Rest vereitelte Oliver Kahn, den auch die „Andy Köpke ist die Nummer eins“-Gesänge der Wolfsburger Fans nicht an einer erneuten Darbietung seiner vorzüglichen Linienakrobatik hindern konnte.

Die eigene Ironie des Pokals wollte es, daß ausgerechnet die besten VfL-Spieler Reyna und Präger ihre Elfmeter verpatzten, während bei den Bayern bloß Strunz scheiterte, was schon allein aufgrund seiner abscheulichen Haarfarbe hochverdient war. „Ganz leer“ sei sein Kopf vor dem Fehlschuß gewesen, erläuterte Präger später. „Typischer Bayern-Dusel“, brachte VfL-Coach Willi Reimann die Sache auf den Punkt. Matti

Bayern München: Kahn – Helmer – Kuffour, Babbel – Zickler (81. Lizarazu), Fink (46. Nerlinger), Strunz, Scholl, Tarnat – Elber (109. Rizzitelli), Jancker

Zuschauer: 15.000; Tore: 1:0 Reyna (7./ Foulelfmeter), 2:0 Kovacevic (45.), 2:1 Elber (45.), 2:2 Zickler (76.), 2:3 Tarnat (85.), 3:3 Präger (88.)

VfL Wolfsburg: Zimmermann – Keller – Kleeschätzky, Kovacevic – Greiner (83. Tyskiewicz), Ratke, Reyna, Kryger, Stammann (87. Spies) – Meissner (72. Dammeier), Präger