Laufen und abdeckeln

■ Mit nicht ganz imagegemäßen Tugenden spielt sich Eintracht Frankfurt gegen Bremen in die dritte Pokalrunde

Frankfurt/Main (taz) – Am Main wird wieder gelacht. Fröhlich erscheinen die Menschen bei der Arbeit, schwungvoll starten sie in den Feierabend. Eine ganze Stadt, zwei Jahre lang regelrecht lahmgelegt, bäumt sich auf; prachtvoll erstrahlt das Leben, Zufriedenheit, wohin man schaut.

Nach nur sieben Zweitliga- Spieltagen und zwei DFB-Pokal- Runden steht eine Mannschaft in der Blüte, deren Auftreten noch vor nicht allzu langer Zeit meist grundinakzeptabel gewesen ist. Anerkennung wird der Eintracht augenblicklich zuteil wie keinem zweiten bundesdeutschen Verein: sie habe „sich zu einer sehenswerten, beständigen Mannschaft entwickelt“, lobt Aron Donzelli (ZDF), Bild, FAZ und FR attestieren übereinstimmend Erstligareife. An der Wiederbelebung des Dezennien lang und keineswegs allzeit zu Recht gepflegten Mythos vom außerordentlichen Frankfurter Spielvermögen arbeiten sie alle. Es rauscht in der Stadt, Fußball erfüllt hier, wo man vor allem damit beschäftigt ist, die Metropolen-Illusion zu nähren, mehr als nur Prestigebedürfnisse.

Das Merkwürdige: an die Stelle des vollautomatischen Geschwätzes über Frankfurts einzigartige technische Finesse tritt die recht besonnene Kommentierung einer Entwicklung, wie sie niemand ernsthaft für möglich gehalten hätte. Kein Glamour mehr, keine „Stars“. Trainer Horst Ehrmanntraut, vor der Saison für eine veritable Fehlbesetzung gehalten, konnte sich durchsetzen. Nachdem die Verpflichtung Uwe Beins an den üblichen dilettantisch-provinziellen Eitelkeitsposen gescheitert war, baute er ein Team zusammen, in dem zunächst gelaufen und abgedeckelt wird. „Wir wollten permanente Eins-gegen-eins-Situationen herstellen“, doziert er nach dem leichtfüßigen 3:0 gegen Werder Bremen und fügt hinzu: „Wir sind zu Hause eine Macht.“

Selten wurden so wenige Fragen auf einer Frankfurter Pressekonferenz gestellt, zu abgeklärt hatte sich die „Diva“ gegen einen maßlos müden, tapsigen SV Werder präsentiert. Spieler wie Thomas Sobotzik, Ralf Weber und Uwe Bindewald, Olaf Janßen und Petr Hubtschew kontrollieren das Geschehen durch „konsequentes Zulaufen“; man geht auf den Ball und wartet ab, was der Gegner macht. Ein halbes Dutzend Chancen reichen, um drei, vier Tore zu erzielen. Das ist obendrein mitunter gefällig, vor allem jedoch unspektakulär. „Die 1. Liga“, erklärt Ehrmanntraut gelassen, „ist momentan Spekulation und Hypothese.“

Fragen darf man, ob der SV Werder dem Zuschauer noch zugemutet werden kann. Bremens Abwehr stand am Dienstag abend im Waldstadion stabil wie gestürzter Wackelpeter, Nordseefußball scheint die Devise zu sein: breit, flach, plätschernd. Warum sich partout niemand findet, der an der Weser das Amt des Cheftrainers bekleiden will, bedarf keiner großen Erklärungen. Der Kader erfüllt allenfalls schlimmsten Durchschnitt. Havard Flo zum Beispiel hat sich mit seinen wenigen Kurzeinsätzen das unverbrüchliche Anrecht auf den Titel des schlechtesten Spielers der Welt erworben. Immerhin trug er in der 33. Minute den Ball fehlerfrei zwei Meter weit. Nicht wenige munkeln, daß Manager Willi Lemke Rune Bratseths seinerzeitige Empfehlung mißverstanden und den falschen Flo verpflichtet hat. Ein zweiter Flo nämlich kommt derzeit in der Premier League zu mittleren Ehren. Werder Bremen gleicht einem Trümmerhaufen. Interim Wolfgang Sidka übt unterdessen das Schönreden. In Ermangelung von Alternativen steht Lemke dem Hilflosen bei. Nein, spätestens jetzt, nach Sobotziks 1:0, wird Werder ganz sicher kein Tor mehr schießen wollen, sondern vielmehr den Fehlpaß und den Abschlag zum Gegner kultivieren. Immerhin, in der 76. Minute greift Sidka zu einem Schachzug: er wechselt Flo aus.

Bremen wird gehen. Frankfurt, versuchen die „Verantwortlichen“ abzulenken, sei „auf dem besten Weg in die 1. Liga“, Verlieren ist ergo keine Schande; der eigene Club aber, vergißt man hinzuzufügen, schlägt die entgegengesetzte Marschrichtung ein. Unbeholfen und teilnahmslos, als führte es hochhaushoch, schlafwandelt ein Team über den Rasen, das auf zwölf von elf Positionen fehlbesetzt ist. Trostlos.

In Frankfurt blickt man einer nicht strahlenden, doch mutmaßlich erfolgreichen näheren Zukunft entgegen. „Es ist eine zentrierte Vorbereitung auf den Fixpunkt“, erklärt Ehrmanntraut. Während Willi Lemke die Frage, ob über den Trainer neu nachgedacht werde, wortreich bescheidet: „Nein.“ Mehr fällt ihm allerdings auch sonst nicht mehr ein. Jürgen Roth

Werder Bremen: Reck – Trares – Wicky – Ramzy, Schierenbeck, Todt, Frey, Herzog (68. Brand), Skripnik (56. Frings) – Flo (75. Wiedener), van Lent

Zuschauer: 33.000; Tore: 1:0 Sobotzik (19./ Foulelfmeter), 2:0 Janßen (36.); 3:0 Weber (64.)

Gelb-rote Karte: Schierenbeck (58.) wegen wiederholten Foulspiels

Eintracht Frankfurt: Nikolov – Hubtschew – Bindewald, Kutschera – Zampach, Schur, Janßen, Gebhardt (73. Wolf) – Weber (86. Mehic), Sobotzik – Epp (73. Cengiz)