: Zwischen Essig und Ketchup
Zwei Hamburger könnten ihre Pkws mit Treibstoff aus dem Supermarkt betanken: Der Elsbett-Motor säuft simples Salatöl ■ Von Achim Fischer
Da haben wir den Salatölmotor, freut sich Karsten Büttner vom Hamburger Landesverband des Verkehrsclub Deutschland (VCD). Und verweist auf die ersten drei Pkws in Hamburg mit dem sogenannten Elsbett-Motor. Deren Besitzer – ein Bäcker und ein Journalist – können nach Belieben bei Aldi, Plus oder Karstadt tanken. Der Treibstoff steht in der Regel zwischen Essig und Ketchup. Literpreis: unter einer Mark. Das billigste Salatöl genügt.
Der Hamburger VCD sieht den Pflanzen-Motor als die Alternative zum Benzin- oder Dieselantrieb und, ganz wichtig, auch zum Bio-Diesel. Größter Vorteil des Salatöl-Antriebs: Bei der Verbrennung des Treibstoffs bläst der Motor nur soviel klimaschädliches Kohlendi-oxyd in die Luft, wie die Ölpflanze – etwa Raps – zuvor aus der Luft aufgenommen hat. Der Antrieb ist, im Jargon der Umweltwissenschaftler, CO2-neutral.
Besitzer herkömmlicher Benzin- und Dieselmotoren dagegen belasten die Atmosphäre mit jedem verfahrenen Liter Sprit mit zusätzlichem Kohlendioxyd. Das gilt, in geringerem Umfang, auch für Bio-Diesel. Dieser Treibstoff wird zwar ebenfalls aus Pflanzen gewonnen, in der Regel aus Raps. Dennoch geht die CO2-Bilanz nicht auf, da das Rapsöl unter großem Energieeinsatz chemisch aufbereitet und zum Bio-Diesel veredelt werden muß.
Dem Elsbett-Motor dagegen schmeckt simples Pflanzenöl, ohne jede weitere chemische Verarbeitung. Zur Herstellung des Treibstoffs reicht eine herkömmliche Ölpresse. Stückpreis: unter zehntausend Mark. Etwa eine Mark würde jeder Liter Öl aus diesen Pressen kosten – „bei ökologisch kontrolliertem Anbau des Rapses“, betont Karsten Büttner vom VCD. Der ausgequetschte Raps-Preßkuchen läßt sich ebenfalls weiterverwerten und -verkaufen, als hochwertiges Futter für Milchvieh.
Durch die geringen Investitionskosten können auch einzelne Bauern oder Genossenschaften in das Treibstoffgeschäft einsteigen. Damit ist eine regionale Versorgung möglich, und die Transportwege für den ungewöhnlichen Sprit blieben gering – im Gegensatz zum Bio-Diesel, wo Rohstoffe und fertiger Treibstoff oft über Hunderte Kilometer transportiert werden müssen.
Auch Zuverlässigkeit und Verbrauch sprechen für den Elsbett-Motor. Bester Beweis: Vor vier Jahren traten europäische und japanische Autohersteller zur 2300 Kilometer langen ECO-Tour unter Schirmherrschaft des ADAC an. Ein Mercedes 190 mit Elsbett-Motor fuhr außer Konkurrenz mit. Und hatte mit 3,51 Litern auf 100 Kilometer den geringsten Verbrauch. Baujahr des Motors: 1984. Kilometerstand: 335.000.
Welche Daten man auch heranzieht, der Elsbett-Motor schneidet am besten ab. Er nutzt die Energie des Treibstoffes zu vierzig Prozent aus, herkömmliche Diesel nur zu 28 Prozent. Pflanzenöl ist zudem energiereicher als Diesel. Und auch die Abgaswerte des Elsbett-Motors sind besser. Aber: „Autohersteller und Mineralölindustrie schweigen den Elsbett-Motor einfach tot“, klagt VCDler Büttner. Eine Serienproduktion des Öl-Motors gibt es noch nicht. Einzelanfertigung und Einbau kosten derzeit 25.000 bis 30.000 Mark. Elsbett-Fans hoffen deshalb auf eine geplante Serienproduktion in Malaysia. Für 30.000 bis 40.000 Mark soll dort bald ein Mittelklassewagen mit Salatöl-Antrieb zu haben sein.
Thomas Effenberger, Besitzer mehrerer Vollkornbäckereien in Hamburg, betreibt zwei Pflanzenöl-Autos: einen Mercedes 190 und einen Passat-Kombi. Beide verbrauchen im Durchschnitt fünf Liter. Oder, anders gerechnet: Ein einhektargroßes Rapsfeld (etwa 1,5 Fußballfelder) genügt für gut 20.000 Kilometer im Jahr. Ab kommendem Jahr will der Bäcker sein Öl von einem Biohof in der Nähe von Hamburg beziehen. 128.000 und 95.000 Kilometer haben die beiden Wagen schon auf dem Tachometer. Und Effenberger hatte bislang „keinerlei Probleme“mit den Motoren.
In Zukunft möchte er auch einen Transporter mit Rapsöl betreiben. Seine zwei Pkws sind dafür der Praxistest. In den vergangenen Monaten hat Effenberger ein Expertenteam aus Wissenschaftlern, Ingenieuren und Kfz-Meistern zusammengetrommelt, um die Erfahrungen mit seinen beiden Öl-Motoren auszuwerten.
Der VCD setzt sich darüber hinaus für eine passende Infrastruktur in der Hansestadt ein – etwa für eine Werkstatt, die Elsbett-Motoren warten kann. Tankstellen könnten ohne großen Aufwand eingerichtet werden, erklärt Büttner. „Im Prinzip reicht es, ein einfaches Faß aufzustellen. Es besteht keine Explosionsgefahr.“Läuft das Öl aus, gibt es keine Umweltverseuchung. „Es gibt“, lacht Büttner, „nur eine elende Schmiererei.“
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