: Herrlich idiotische Vögel
Cartoon Forum in Arles: Mit etwas Glück und dem WDR feiern die skurrilen „Shadoks“ des Trickfilmers Jacques Rouxel hoffentlich bald ihre Wiederauferstehung ■ Von Carola Rönneburg
Animationsfilmer sind bekanntlich geduldige Zeitgenossen. Nicht nur, daß ihre Dreharbeiten viel Zeit in Anspruch nehmen – auch die Suche nach Geldgebern kann sich über Monate oder gar Jahre hinziehen. Dies gilt besonders für diejenigen, die sogar an ihrem Produkt verdienen und Fernsehserien produzieren wollen.
Für sie hat die Europäische Union im Rahmen ihres Media- Programms die Verkaufsmesse Cartoon Forum eingerichtet. An wechselnden Orten treffen sich jedes Jahr im September die Vertreter zuvor ausgewählter europäischer Trickfilmstudios mit ihren potentiellen Kunden: den Programmgestaltern der staatlichen und privaten Fernsehanstalten Europas. In kleinen Shows zeigen die Anbieter hier zumeist einen kurzen Pilotfilm, der über Inhalt und Stil der Serie in spe informiert, und nennen ihre Preise. Im glücklichsten Fall werfen ihnen die Einkäufer ihre Visitenkarten noch im Verlauf der Präsentation zu; im schlimmsten hat sich nur jemand vom finnischen Fernsehen eingefunden; im allerschlimmsten wurde der Pilotfilm vor dem Tod der Princess of Wales fertiggestellt und soll satirische Episoden aus dem Leben der „Royal Family“ an den Mann bringen.
Mehr als eine Million Ecu kostet die Veranstaltung, auf der dieses Mal für 74 sogenannte Projekte und ein Gesamtbudget von 320 Millionen Ecu (ca. 640 Millionen Mark) Co-Finanziers gesucht wurden. Das schönste, hoffnungsvollste und vor allem förderungswürdigste unter ihnen ist eine Neuauflage: die auch deutschen Zuschauern bekannte Reihe „Les Shadoks“ von Jacques Rouxel. Dessen bizarre ethnologische Studien über zwei extraterrestrische Spezies wurden erstmals 1968 in Frankreich beim Monopolisten ORTF ausgestrahlt und spalteten seinerzeit die Nation. Die einen liebten die dialoglosen Kurzgeschichten über die stets scheiternden, vogelähnlichen Shadoks – „diese Dummköpfe“, wie sie eine mitleidlose Sprecherstimme nannte – und die Gibis, freundliche Leutchen, die ihre Intelligenz in kleinen Bowlerhüten spazierentrugen und denen eigentlich nie etwas widerfuhr, bis Jacques Rouxel ihren Planeten unbewohnbar machte. Er war dabei gerecht: Während er den Gibis einen Wohnort zuschrieb, der flach war und kippelte (so daß immer einige der netten Gibis den Halt verloren und ins All trudelten), verlegte er die Shadoks („diese unglückseligen Kreaturen“) auf einen Stern, der ständig seine Form änderte und wahllos Hügel aufwarf oder Täler entwickelte. Die Folgen für die Shadoks waren identisch.
Als Rahmenhandlung für die erste von drei Staffeln diente damals der Versuch beider Völker, auf die Erde auszuwandern. Die Nebenschauplätze waren jedoch viel interessanter. Besonders die Shadoks bestachen durch ihre komplexe Gesellschaftsordnung. Aus nie überzeugend dargelegten Gründen hatten sich die Shadoks darauf verlegt, überall Pumpen zu installieren, die auf geheimnisvolle Weise ihr alltägliches Leben in Gang hielten. Mehr noch: im Zweifelsfall, wenn etwa ein Problem anstand – wie etwa der formunbeständige Untergrund –, hieß die Parole „pumpen!“ Die Shadoks pumpten in nahezu jeder Folge.
Die Reaktion der französischen Fernsehzuschauer Ende der 60er Jahre war vehement. Die einen haßten die Shadoks; besonders das Alter ego Rouxels, den hinreißenden Shadok-Schamanen, der sich als „Wunderklempner“ verehren ließ und ein aus Rohr und Wasserhahn gelötetes Zepter vor sich hertrug. Die anderen gründeten Shadok-Verteidigungskomitees, um die wahnwitzigen, grundsätzlich auf Pumpsystemen basierenden Konstruktionen des Shadok-Professors Shadoko weiterhin bewundern zu können. Während auf den Straßen von Paris die Mai-Revolte ausbrach, beschwerten sich empörte Zuschauer beim ORTF: „Meine Frau mag keine irrationalen Sachen“, erklärte etwa ein Monsieur Colombet. „Ich für meinen Teil schätze Phantasie, finde das aber zu übertrieben.“
Die „Shadoks“ überlebten dank einer Umfrage dennoch bis 1973. Jacques Rouxel erzählte einst in einem Interview, danach hätte ihn niemand nach einer Fortsetzung gefragt, und er sei zu faul, ohne äußeren Anstoß etwas zu tun. Er habe auch keine neuen Figuren entwickeln wollen, sagte er jetzt. „Ich selbst habe nichts außer den Shadoks gemacht.“ In den letzten Jahren produzierte der 66jährige vor allem Filme für das Schulfernsehen und förderte junge Animationskünstler.
Jetzt aber hat ihn jemand gefragt: Der französische Sender Canal+ ist an neuen „Shadok“-Folgen interessiert, außerdem schalteten sich beim Cartoon Forum Italien und Luxemburg ein – und auch der WDR besuchte die „Shadok“- Vorstellung. Was „diese idiotischen Vögel“ demnächst anstellen sollen, ist vermutlich auch Jacques Rouxel noch nicht klar. Verwunderlich ist das jedoch kaum, hatte er doch nach eigenen Angaben bisher jede „Shadok“-Episode in letzter Minute weiterentwickelt. Es geht um „Le Big Blank“ – und natürlich um Pumpen. Mehr muß man eigentlich auch nicht wissen. Jacques Rouxel ist albern und genial, und das ist ein guter Grund, rechtzeitig zum bevorstehenden 30jährigen Geburtstag der Shadoks eine hübsche Summe in dieses Unterfangen zu investieren. Verzeihung: zu pumpen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen