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Arbeit macht krank und Klagen arbeitslos

Besonders gefährdet: Beschäftigte in Kliniken und Abwasserwirtschaft  ■ Von Lisa Schönemann

Neue Technologien bringen neue Risiken mit sich: Biologische Arbeitsstoffe, zum Beispiel Pilze, Bakterien und Viren, können Allergien und Infektionen hervorrufen. Gefährdet sind besonders Sielarbeiter in unterirdischen Abwasserkanälen und Krankenhauspersonal. Hamburgs Amt für Arbeitsschutz schätzt die Zahl der Beschäftigten, die beruflich mit Mikro-Organismen und Zellkulturen konfrontiert werden, auf rund 10.000.

Mit diesen Stoffen kommen Arbeitnehmer nicht nur in mikrobiologischen Laboratorien in Berührung. Sie treten auch in Arbeitsfeldern auf, deren Gefährdungspotential kaum bekannt ist, wie in der Abfallwirtschaft, der Bodensanierung und Abwasserbehandlung. „Diese sind aufgrund des mangelnden Problembewußtseins und der häufig unzureichenden Schutzmaßnahmen besonders kritisch zu bewerten“, sagte Arbeits- und Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel (SPD) gestern bei der Vorstellung des Jahresberichts 1996 der Arbeitsschützer. Durch die Belastung mit Biostoffen seien sowohl Salmonellen- und Durchfallerkrankungen als auch Hepatitis „auf dem Vormarsch“.

Eine EU-Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmer vor den Risiken der Biotechnologie wurde bisher in Bonn nicht in deutsches Recht umgesetzt. Mitarbeiter von Klärwerken und Sielarbeiter seien über die Haut und die Atemwege einer Gefährdung ausgesetzt, „der durch Schutzanzüge und Atemschutzgerät“begegnet werden könne, so Susanne Jung vom Amt für Arbeitsschutz. Darüberhinaus werde an verbesserten Lüftungssystemen gearbeitet. Die staatlichen Sanktionsmöglichkeiten bei Übertretung geltender Arbeitsschutzbestimmungen dürften den Firmenchefs nicht den kalten Schweiß auf die Stirn treiben: Im vorigen Jahr wurden sie rund 2.700 mal wegen etwaiger betrieblicher Mängel angeschrieben und 85 mal verwarnt. Außerdem wurden 1.154 Bußgeldbescheide zwischen 100 und 5.000 Mark verschickt. Die Arbeitsschützer waren schwerpunktmäßig in holzverarbeitenden Betrieben unterwegs, in denen die Absaugung verbessert werden mußte.

Zudem waren in neun von 28 Betrieben bei Schweißarbeiten die Luftgrenzwerte übertroffen worden. Unter den angezeigten Berufskrankheiten machen mit 569 Fällen die astbestbedingten Erkrankungen rund ein Drittel aus. An zweiter Stelle finden sich Rückenleiden, dann folgen Lärmschwerhörigkeit und Hauterkrankungen.

Statistisch nicht festgehalten ist die Arbeitsbelastung in Kleinbetrieben, der vor allem ausländische ArbeitnehmerInnen schutzlos ausgesetzt sind, die bei der kleinsten Kritik ihren Rausschmiß befürchten müssen. „Wenn ich damit ankomm', bin ich meinen Job los“, sei eine häufig gehörte Klage in der „Beratungs- und Informationsstelle für Arbeit und Gesundheit“. Allenfalls der Betriebsrat könne auf eine Verbesserung pochen, so Beraterin Cornelia Peters, „so es denn einen gibt“.

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