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Der Kampf ist am Ende

■ Norwegens Linksblatt am Abgrund: Die maoistische Partei, der der Verlag gehört, will unabhängige Berichterstattung nicht länger dulden

Oslo (taz) – Skandinaviens einzige Tageszeitung links von der Sozialdemokratie – sieht man von der dänischen Information ab –, steht am Abgrund. Nicht die Finanzen oder mangelnde LeserInnenschaft bedrohen die Existenz, sondern ein Streit zwischen der Redaktion und dem Mehrheitsaktionär. Die Zeitung gehört nämlich einer maoistischen Partei, die den Fall der Berliner Mauer und das Öffnen des ersten McDonalds-Restaurants in Peking überlebt hat – der AKP (m-1).

Klassekampen war seit 1977 ihr Parteiblatt – entwickelte sich dann aber zu einer der besten nordischen Tageszeitungen. Die Zeitung erreichte für das 4,2-Millionen-Einwohner-Land eine beachtliche Auflage und verkauft über 10.000 Exemplare. Das gelang, weil sich die Redaktion langsam aus dem ideologischen Griff der Partei löste. Was die AKP einstmals auch abgesegnet hat, indem sie das Redaktionsstatut billigte, das die redaktionelle Unabhängigkeit garantiert. Geblieben ist dennoch das letzte Wort der Partei bei Personalentscheidungen und – nachdem der Verlag in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde – ihre Stellung als Mehrheitsaktionär.

Ende September mußte Klassekampen-Chefredakteur Paul Bjerke aus der Tagesschau erfahren, daß er abgesetzt ist und die AKP den Schriftsteller Jon Michelet zu seinem Nachfolger eingesetzt hat. Der Partei war der unabhängige Kurs von Bjerke und seiner Redaktion zu weit gegangen. Beginnend im Frühjahr im Kulturteil und seit Sommer immer deutlicher im politischen Teil war Klassekampen teilweise in direkte Opposition zur AKP gegangen. Daß der einzige bisherige Parlamentsabgeordnete der AKP, Erling Folkvord, bei den Wahlen Mitte September unterlag, wurde von der Partei hauptsächlich Klassekampen angelastet. Die Wahlniederlage hatte möglicherweise Panik bei den Maoisten ausgelöst.

Die Redaktion machte umgehend klar, daß sie nicht mehr bereit ist, sich direkten Einmischungen der AKP oder deren Personalentscheidungen zu beugen. Man setzte ein Ultimatum bis Anfang Oktober. Bis dahin sollten die Maoisten die Kündigung Bjerkes zurücknehmen und auch ihre Stellung als Mehrheitsaktionär aufgeben. Für den anderen Fall drohte man, das Blatt in eigener Regie herauszugeben.

Die AKP reagierte mit einem Kompromiß: Sie nahm die Ernennung Michelets vorerst zurück und schrieb die Stelle des Chefredakteurs öffentlich aus. Der entlassene Chefredakteur Paul Bjerke wird sich voraussichtlich bewerben. Sollte er, oder ein anderer Kandidat, der das Vertrauen der Redaktion genießt, nicht den Posten erhalten, droht die Redaktion die Zeitung zu besetzen.

Was der „Klassenfeind“ nie vermochte, droht Klassekampen, nun in eigener Regie zu tun: das eigene Grab zu schaufeln. Was den skandinavischen Zeitungsmarkt noch eintöniger machen würde. Reinhard Wolff

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