: Wählen, bis genügend Bürger an die Urnen gehen?
■ Die Präsidentschaftswahlen in der serbischen Verfassung: ein Procedere mit Tücken
Belgrad (taz) – Sollte es sich bestätigen, daß die Wahlbeteiligung bei der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen in Serbien unter dem Quorum von 50 Prozent lag, muß die die Bevölkerung in zwei Monaten erneut an die Urnen schreiten. Die Wahl beginnt dann ganz von vorne. In der ersten Runde können alle Kanidaten wieder antreten und sich auch neue bewerben. Auch im Falle einer Wahlwiederholung gilt für beide Runden das Quorum. So könnte also alle zwei Monate neu gewählt werden, bis sich genügend Bürger an die Urnen begeben.
In der Zwischenzeit übt laut Verfassung der Parlamentspräsident das höchste Amt aus. Dies ist zur Zeit noch der Sozialist Dragan Tomić. Da jedoch in Serbien am 21. September auch ein neues Parlament gewählt wurde, erlischt sein Amt, wenn er am 25. Oktober die Abgeordneten zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammenruft. Dann übernimmt der älteste Abgeordnete vorübergehend seine Funktion, um die Wahl des neuen Parlamentspräsidenten durchzuführen. Dies hängt aber vom Stand der Koalitionsverhandlungen ab. Im neuen Parlament besteht folgende Sitzverteilung: Die Linkskoalition der Milošević-Freunde stellt mit 120 Mandaten die stärkste Fraktion, auf die Radikalen von Vojislav Šešelj entfallen 82 Mandate, auf die Erneuerungsbewegung von Vuk Drašković 45 Sitze, die Koalition Vojvodina und die Ungarn verfügen über jeweils 4 Mandate, die Muslime aus dem Sandschak über 3, und die Albaner aus Südserbien (nicht dem Kosovo) und die Demokratische Alternative halten jeweils ein Mandat. Die Wahl des Parlamentspräsidenten wird nur möglich sein, wenn zwei der großen Fraktionen eine Koalition bilden. Sollte die Wahl des Parlamentspräsidenten scheitern, würde der älteste Abgeordnete kommissarisch die Funktion des Präsidenten übernehmen. Soweit bekannt, ist dies ein Ungar aus der Vojvodina.
Die Verfassung von Montenegro, das mit Serbien die Bundesrepublik Jugoslawien bildet, sieht dagegen nicht vor, daß auch in der zweiten Runde der Präsidentschafstwahlen am 19. Oktober die Wahlbeteiligung bei 50 Prozent liegen muß. Präsident wird also, wer die relative Mehrheit der Stimmen bekommt. Andrej Ivanji
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