Deutschstunde für einen Hopfenkönig

Während immer mehr Goethe-Institute schließen, wurde im ostrumänischen Iași mit viel Eigeninitiative das Deutsche Kulturinstitut eröffnet. Jazz-Workshop, Medienseminare und Sprachkurse treffen den Geschmack der Einwohner  ■ Von Silvia Plahl und Alexander Musik

Ein Empfang unter nackten Glühbirnen und bei aufgerissenem Fußboden im neuen Deutschen Kulturinstitut? „Dann sagen wir die Eröffnung eben ab!“ Gerhard Pinzhoffer, Direktor und Initiator des Instituts im ostrumänischen Iași, gleich an der Grenze zur Republik Moldawien, wird kurz ungehalten. „Kommt gar nicht in Frage“, entgegnet Gabriele Linde, seine Stellvertreterin. Kapitulation nach drei Jahren beharrlicher Vorarbeit? 15.000 Mark hatte das Auswärtige Amt zugesagt, eingegangen war kurz vor der Eröffnung in dieser Woche noch kein Pfennig.

Wer wie Gerhard Pinzhoffer und Gabriele Linde trotzdem weitermacht in Iași, muß es wirklich wollen. Qualmende Schlote von Textil- und Stahlindustrie lassen die Plattenbauriegel in und um die Stadt noch grauer erscheinen. Gespendete Ikarus-Busse, noch mit Sparkassen-Reklame beklebt, rattern durch die Magistralen, und durch den Kulturpalast, einen pseudogotischen Auswuchs von Größenwahn von 1907, hämmert Disco-Musik. Eine Messe für Kfz- Zubehör und Sicherheitstechnik findet statt, gleich neben den hier untergebrachten Museen für Geschichte und Bildende Kunst. Das Museum braucht Geld.

Abschied vom Vorbildgehabe

Im oberen Stockwerk hängen Werke von Caravaggio und Veronese vor abblätterndem Putz an Fleischerhaken. Am anderen Ende der Stadt, im Uni-Viertel, weisen Pfeile auf den deutschen Lesesaal, untergebracht in einem abseitigen Flügel der Uni-Bibliothek. Hier drängen sich Schulklassen vor Lernvideos, und Erwachsene lesen FAZ und die Zeit. – „Das Goethe-Institut finanziert diesen kleinen Lesesaal“, sagt Gerhard Pinzhoffer. „Wir hoffen, daß er mit uns in das neue Deutsche Kulturinstitut einziehen wird.“

Für ein eigenes Haus an der Nordostspitze Rumäniens als Ergänzung zur Residenz in Bukarest hat das Goethe-Institut kein Geld mehr. Also begrüßte man von dort aus die Iașier Initiative. 30.000 Mark Projektförderung im Jahr hat Bonn dafür übrig, was dort als „neue kulturpolitische Initiative“ bezeichnet wird, die über die bisherige Rumäniendeutschen-Förderung hinausgehe.

In Bukarest ist das deutsch-rumänische Verhältnis auf Bildungsebene derzeit etwas angespannt. Unterrichtsminister Virgil Petrescu teilte den deutsch-rumänischen Schulen im ganzen Land soeben mit, sie hätten gegen die rumänische Verfassung verstoßen. Corpus delicti ist das kombinierte Abiturzeugnis, das GymnasiastInnen mit Deutsch als Muttersprache (im Durchschnitt sind 85 Prozent davon RumänInnen) den Zugang zu deutschen sowie rumänischen Hochschulen ermöglicht. Petrescus Vorgehen, empörten sich betroffene Direktoren in der Presse, sei ein glatter Maulkorberlaß. Und die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien titelte : „Beziehungen zu Deutschland bedroht?“ Keine Spur von solchen Animositäten in Iași: Mit dem deutschen Kulturprogramm scheint Gerhard Pinzhoffer den Bedarf der Ortsansässigen zu treffen. Jazz-Workshops, Medienseminare, Klassikkonzerte und Sprachkurse bieten Pinzhoffer und seine MitarbeiterInnen schon seit einiger Zeit an. Die Nachfrage ist groß, und der Chef sieht darin sein Konzept bestätigt. Anders als etwa bei der französischen Konkurrenz von der gegenüberliegenden Straßenseite, die dort seit 1991 Repräsentationskultur der Grande Nation anbiete.

„Von dem Vorbildgehabe der Franzosen haben wir uns schon längst verabschiedet“, sagt Pinzhoffer. Pinzhoffer ist von Haus aus DAAD-Lektor. Sein Büro: ein ungeheiztes Kabuff ohne Computer und Faxanschluß; als Einrichtungsgegenstände dienen Bananenkartons und Stapel von Schriften der Bundeszentrale für politische Bildung und Inter Nationes. Wer hier reinkommt, sagt Pinzhoffer, wundert sich: So sieht es also beim Direktor eines deutschen Kulturzentrums aus? Der Chef wirkt gemütlich und langmütig. Seine persönliche Toleranzgrenze erreiche er erst, wenn Heizung und Warmwasser ausfallen. Entsagungsvolle Pionierarbeit? „Pionierarbeit in dem Sinne, daß das bisherige Rumänienbild revidiert werden muß.“ Bis 89 sei Rumänien als liberales osteuropäisches Land in der deutschen öffentlichen Meinung bekannt gewesen. „Und Ceaușescu galt lange als der Liebling des Westens, weil er eine eigenständige Haltung gegenüber der UdSSR suchte. Dabei waren die letzten zehn Jahre der Diktatur die finstersten, die es in Osteuropa gegeben hat. Nach der Revolution 89 wurde Rumänien dann eher als Nachtseite der Zivilisation beschrieben.“

Deutsch für Manager und Studenten

Inzwischen – auch durch die postkommunistische Ära Ion Iliescus – gestehe man dem Land kaum mehr demokratischen Willen zu. Wenigstens in Iași scheint dieser Wille vorhanden: Die Stadt selbst hatte den Wunsch nach einem deutschen Kulturinstitut. Im Gegenzug stellte Pinzhoffer an die Stadtväter klare Bedingungen. Ein deutsches Kulturzentrum kann es geben, aber die Stadt muß in Vorleistung gehen! Solche Töne hatte gegenüber der Administration noch niemand angeschlagen, doch trotz einiger Querschläger aus der Kreisverwaltung machte die Stadt Versprechungen. Ein Kindergarten, der in dem künftigen Institutsgebäude untergebracht war, wurde kurzerhand verlegt, 1,3 Milliarden Lei (etwa 325.000 Mark) für die Restaurierung der klassizistischen Villa mit Garten im April vergangenen Jahres bereitgestellt. Theoretisch. Mit der Fertigstellung des Gebäudes kann in diesem Jahr nicht mehr gerechnet werden.

Wer Deutsch lernen will, kommt trotzdem. Die Sprache zu beherrschen ist wichtig für die Studenten, die sich auf ein Stipendium bewerben, aber auch für Geschäftsleute, die mit deutschen Firmen zusammenarbeiten. Umgerechnet 1,50 Mark kostet die Stunde Deutschunterricht, soviel wie eine Flasche Hopfenkönig, ein gutes rumänisches Bier. Der Durchschnittslohn beträgt 140 Mark.

Noch braucht es einige Imaginationskraft, sich ein einladendes Kulturinstitut vorzustellen: mit Bibliothek und Mediathek, Seminarräumen, Selbstlernplätzen, Gästezimmern, einer Cafeteria und einer Mansarde mit Glaskuppel. Und einem Direktionsbüro – mit Heizung. Vielleicht lassen sich ja dafür die 50.000 Mark, die Mannesmann spendiert hat, einsetzen. Die Zahlung ist, anders als die des Auswärtigen Amtes, schon eingegangen.