: Stolz und Elend eines Dienstboten
■ Von den Likörkompositionen eines Gelegenheitsfaschisten: „Herr Karl“in der Kantine
Da hockt er, der Herr Karl, im Keller eines Feinkostladens und schwätzt und sabbelt. Wie ein Kleinkind, das sich seinem Brabbeln lauschend der eigenen Existenz vergewissern möchte. Denn was bliebe schon übrig, wenn Herr Karl einfach verstummte oder verschwände? Ein mausgrauer Lieferantenkittel und ein klammes Schweißtuch. Aus der Dienstbotenperspektive und mit nicht unfreundlischem Fatalismus schildert Herr Karl das Stückchen österreichischen Lebens, das für ihn abgefallen ist. „Später bin i demonstrieren gangen für die Schwarzen ... Hab i fünf Schilling kriagt. Dann bin i ummi zu de Nazi ... da hab i aa fünf Schilling kriagt ... na ja, Österreich war immer unpolitisch.“
Er tupft sich die Stirn, wirft sich in den Brustton selbstverordneter Gemütlichkeit und nippt an Thermoskanne und Vergangenem. Herr Karl, Autoeinweiser, Ballonverkäufer und Gelegenheitsfaschist, an dem die Glücksversprechen der Ideologien vorbeizogen und ihn wieder einmal übersahen. Er erzählt aus den Zeiten, als Kunden noch Herren waren und sich Mädchen noch mit Mandolinenspiel zu- frieden gaben, um endlich die Schenkel zu öffnen.
Mit den Gesten großmauliger Kennerschaft empfiehlt er die einzig verläßlichen Glückseligkeiten in Form eigener Likörkompositionen oder verfällt in die schmalen Euphorien eines Kleinsparerherzens, um schließlich mit Veteranenernst dem Lebenskampf nach jeder Heirat zu gedenken. Eine betrog ihn ausgerechnet mit einer Garnison Piefkes, eine andere siechte bald im Hospital vor sich hin. Herr Karl wurde immer enttäuscht.
Karl Welunschek hat Herr Karl aus der Feder des österreichischen Schriftstellers Carl Merz als Suade eines Zukurzgekommenen zwischen Schmäh und Scham inszeniert. Auf der Kantinen-Bühne im Schauspielhaus läßt Merz den österreicherische Schauspieler Wolf Bachofner durch Herrn Karls praktisch sortierte Einfalt schlendern, mit gutem Gespür für die tragikomische Mischung aus burschikosen Biedersinn und dem kläglichen Trotz eines Wendehalses, dessen ganzer Eigensinn und anarchisches Potential bereits beim heimlichen Schluck aus fremden Weinflaschen Triumphe feiert. Und wenn Karl vom Brand des Justizpalastes 1926 als „Naturschauspiel“schwärmt und sich mit blassem Stolz seiner Taten als Nazi-Blockwart erinnert, hat sich in die Trivialität beschriebener Alltagsverrichtung längst jede politische Terrortat als zahnlose Banalität eingenistet. B. Glombitza
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