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Mit kruder Sprache gegen Esos

■ Jutta Ditfurth setzt soziale Gleichheit dem Faschismus gleich

Es war der Abend starker Worte. Um den Zusammenhang zwischen Esoterik und Faschismus sollte es gehen, eine Gegenveranstaltung zum Kongreß „Visionen menschlicher Zukunft“sein. Jutta Ditfurth und ein Teil ihrer Redaktion der „ÖkolinX“waren aus Frankfurt angereist, um der in ihren Augen gefährlichen Eso-Messe etwas entgegenzusetzen. „Das ist der erste Eso-Kongreß, bei dem es Gegenwehr gibt“, glaubt Ditfurth. Doch selbst Besucher, die die Eso-Kritik der ehemaligen Grünen-Sprecherin teilten, zeigten sich stark irritiert von der Rhetorik, mit der die Anklagen vorgebracht wurden.

Ditfurth als Öko-Linke und ihr Nebenredner Colin Goldner vom „Forum Kritische Psychologie“dozierten, wo die Gefahren der Esoterik liegen. In vielen esoterischen Strömungen entdeckten die beiden die Tendenz zur Entpolitisierung, da in der Vorstellung von Esoterikern jedes Schicksal selbst gewählt sei: „Menschen fühlen sich nicht mehr als Teil einer sozialen Gruppe, sondern werden auf sich selbst zurückgeworfen“, sagt Ditfurth. Ideen wie soziale Gleichheit der Menschen kämen in der Esoterik ebensowenig vor, wie Kritik und Opposition - und das erinnere an Faschismus. „Für die Verbesserung des Lebens zu kämpfen, wird in der Ideologie der Esoterik Blödsinn“, meint Ditfurth. Und: „Wenn man sich die Hintergründe anschaut und sich nicht mit Ölen und Edelsteinen abspeisen läßt, entdeckt man in 60 bis 80 Prozent der Fälle nationalsozialistische Gedankenmuster.“

Doch ihre Kritik machten sie vor allem an Personen fest: Vielen Rednern des Kongresses „Visionen menschlicher Zukunft“wird autoritäres und faschistisches Gedankengut vorgeworfen. Ditfurth: „Drei Viertel der Köpfe des Kongresses kommen aus neurechten Kreisen.“Dabei fallen auch markige Worte. Der Dalai Lama sei „gestört“, Franz Alt ein „Mr. Hyde“, Gerda Boyesen „die Königin der Fürze“. Yoga wird zur Einstiegsdroge. Die Sprache der zwei Redner überdeckte so die Argumentation fast völlig. „Schrecklich beklemmend“findet das ein Besucher und macht seiner Unruhe Luft, „wie ihr die Leute einfach für blöde verkauft.“Ein anderer glaubt, daß „der Holzhammer hier nicht ausreicht.“Ditfurth kontert: Nur so sei eine Diskussion anzuheizen.

Doch auch die Macher des „Anti-Visionen-Kongresses“, der am Wochenende parallel zum Visionen-Kongreß stattfand, distanzieren sich von der kruden Sprache Ditfurths. Dabei teilen die Anti-Visionen-Veranstalter durchaus den Kern der Kritik mit Ditfurths Ökolinken. Nur die Herangehensweise sei eine andere: „Uns geht es um die Kritik des Überbaus, nicht der einzelnen Menschen“, sagt ein Vertreter des Anti-Bündnisses. „Menschen zu diskreditieren, ist der falsche Weg.“Für alle Kritiker des Visionen-Kongresses aber ist klar: Esoterik schafft in vielen Fällen Verbindungen zu autoritärem Denken und faschistoiden Denkern. Auch die Problemdiagnose teilen die Kritiker: Immer mehr Linke wandern vom Polit-Aktivismus in die Eso-Szene ab. „Fünf bis 20 Millionen Menschen“, so schätzt Dithfurth, „wurden schon von dieser Szene versaut.“Doch während die einen sich gleich handfeste Aktionen gegen den Visionen-Kongreß wünschen, setzen die anderen auf Aufklärung und Arbeitsgruppen.

Christoph Dowe

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