■ Verbrecherische Umtriebe in Ludwigs Neuschwanstein
: Im Schloß des weißen Todes

Füssen/Schwangau (taz) – Wenn vor kurzem vom wohl bekanntesten Schloß der Welt, von König Ludwigs Märchenschloß Neuschwanstein, die Rede war, dann meist im Zusammenhang mit einem umstrittenen Golfhotel, das nun doch nicht gebaut wird, und einem bayerischen Staatssekretär, der sich wohl ein wenig zu sehr für den Architekten, seinen Neffen, eingesetzt hat.

Doch das weltbekannte Schloß könnte schon bald in ganz anderem Zusammenhang berühmt werden: Als „Schloß des Weißen Todes“. So lautet nämlich der Titel eines kühnen Kriminalromans. Der Autor ist ein Insider und schreibt aus Sicherheitsgründen unter dem Pseudonym Andreas Bender. Denn auch wenn der Ort der dramatischen Handlung frei erfunden wurde, hat die Geschichte doch ganz reale Hintergründe. Dem Treffen auf Neuschwanstein stimmt der Krimiautor denn auch nur unter der Bedingung zu, seinen richtigen Namen auf keinen Fall zu veröffentlichen und ihn, falls überhaupt, nur von der Seite zu fotografieren.

Im „Schloß des Weißen Todes“ geht es um Entführung, Geiselnahme und um den Versuch eines kolumbianischen Drogenkartells, die Weltherrschaft im Rauschgifthandel zu erringen. Im Innenhof des Schlosses erzählt der Verfasser, daß er monatelang vor Ort recherchiert und das Schloß ergründet hat.

„Es geht in meinem Roman um zwei Chemiker, die vom Medellin- Kartell gekidnappt werden“, berichtet der Autor. Zusammen mit zehn anderen Chemikern, die auf der ganzen Welt verschleppt wurden, sollen sie an einem Ort, wo niemand damit rechnet, im großen Stil Rauschgift herstellen. Das Kartell will auf dem Heroinmarkt die Weltherrschaft erlangen.

Gerade weil Tausende von Besuchern jeden Tag das Märchenschloß stürmen und niemand hier mit einer Drogenhöhle rechnet, haben sich die Heroin-Mafiosi im Sängersaal ein Labor eingerichtet, in dem die Chemiker gefangen gehalten und unter Drogen gesetzt werden, um genau diese in großem Umfang herzustellen. Zwei Söhne eines der gekidnappten Wissenschaftler kommen schließlich dem Syndikat auf die Spur. Und dies mit Hilfe einer auch im realen Leben recht schillernden Figur: dem ehemaligen und langjährigen Schloßverwalter von Neuschwanstein, Julius Desing. Der ist weithin als König-Ludwig- Experte bekannt, als jemand der die ganz Großen dieser Welt schon durch das Märchenschloß geführt hat, in dem er jeden Winkel kennt; nicht aber als Krimiheld. Doch genau dazu wird der alte Desing in diesem Roman.

Herr Desing spielt den Schloßverwalter, der den Söhnen eines der gekidnappten Chemiker zur Seite steht. Der Exschloßherr, der zu dem Treffen mit dem Krimiautor zurückkehrte ins Schloß, bemerkt, er fühle sich „wie Karl May persönlich“. Er lese hauptsächlich Sachbücher und sei „am Anfang recht skeptisch“ gewesen. „Aber das Buch hat mich so gefesselt, daß ich es in einem Zug durchlesen mußte.“

Daß er quasi gemeinsam mit einem von der amerikanischen Drogenfahndung DEA eingeschleusten Ermittler das raffinierte Drogenkartell auf Neuschwanstein auffliegen läßt, macht den König- Ludwig-Spezialisten Desing „schon recht stolz“. Auch wenn er sich über reichlich unkonventionelle Einsatztaktik der DEA schon sehr gewundert habe.

Der Autor ist zuversichtlich, daß der spannende Stoff alsbald auch verfilmt wird. Doch zunächst einmal wird noch mit einigen Verlagen über die Buchrechte verhandelt. Bislang ist nämlich noch nicht endgültig entschieden, wo der Schloßkrimi, von dem es bisher nur ein paar wenige Exemplare gibt, erscheinen soll. Klaus Wittmann